akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 430 / 23.09.1999

Grünliche Nebelschwaden in Hamburg

Grünliche Nebelschwaden in Hamburg

In ak 429 stellten wir eine von der Hamburger Umweltbehörde in Auftrag gegebene Studie über die Wirtschaftlichkeit der Atomkraftwerke der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) vor. Inzwischen hat sich auch die Hamburger Bürgerschaft mit dem Gutachten befaßt. Fazit des Gutachtens war: Moderne Gas- und Dampfkraftwerke sind wirtschaftlicher als der Weiterbetrieb der AKWs Brunsbüttel, Stade und Krümmel. Lediglich das AKW Brokdorf ist im Vergleich zu Gaskraftwerken profitabler.

Bemerkenswert ist, daß die HEW bis heute keinerlei öffentliche Stellungnahme zu dem Gutachten der Umweltbehörde vorgelegt hat. Ein verblüffendes Nicht-Ereignis, denn in der Vergangenheit hat es das Unternehmen, daß in seiner Satzung als einziger Energieversorger der Bundesrepublik auf den Atomausstieg verpflichtet ist, nie unterlassen, dem grünen Umweltsenator zu erklären, wie wenig man ihn ernst nimmt. Ein HEW-Sprecher stellte lediglich fest, daß man nicht Stellung nehmen wolle, da man ansonsten Unternehmensdaten veröffentlichen müßte. Das wolle man aber angesichts der neuen Konkurrenz auf dem Strommarkt lieber nicht tun. Ob das bedeuten soll, daß die Zahlen in der Studie unzutreffend sind oder aber die HEW einräumen müßte, daß die Gutachter eine zutreffende Kostenbetrachtung der HEW-Reaktoren vorgelegt haben, bleibt daher bislang das Geheimnis.

Auf Antrag der GAL-Abspaltung "Regenbogen - für eine neue Linke" befaßte sich die Bürgerschaft mit dem vom rot-grünen Senat vollmundig verkündigten Atomausstieg. Doch wenige Tage vor Ablauf der Kündigungsfrist für das AKW Brunsbüttel hüllt sich der Senat in Nebelschwaden. Bis Ende September müßte der Vorstand der HEW den Gesellschaftsvertrag für das AKW Brunsbüttel kündigen, um PreussenElektra als Mitbetreiber aus der Gesellschaft zu entlassen. Auf diese Weise, so der im Koalitionsvertrag festgelegte rot-grüne Plan, verfügen die HEW über das alleinige Entscheidungsrecht über das AKW Brunsbüttel und könnten die Anlage mühelos stillegen.

Der grüne Umweltsenator Alexander Porschke versicherte in der Debatte zwar, daß es einen eigenen Hamburger Beitrag geben werde und man sich um den Ausstieg bemühe. Wie der Beitrag jedoch aussehen wird, behielt er für sich. Die Studie, die er selbst in Auftrag gegeben hat und die eindeutig die wirtschaftlichen Vorteile des Atomausstiegs darlegt, betrachtete der grüne Senator lediglich unter dem Aspekt, daß dadurch die Entschädigungsforderungen der AKW-Betreiber für den Fall von Abschaltungen nicht mehr besonders hoch ausfallen dürften.

Statt für die Abschaltung von Brunsbüttel zu sorgen, wird die Umweltbehörde Ende September eine Expertenanhörung über das vorgelegte Gutachten durchführen. Danach, so erklärte Porschke, werde sich der Senat mit dem HEW-Vorstand noch einmal zusammensetzen. Norbert Hackbusch von der Regenbogen-Bürgerschaftsgruppe und lange Jahre mit dem Senator in der GAL aktiv, kritisierte diese mageren Tätigkeiten deutlich. Der Senat sei konfliktscheu und weitere Gespräche mit den HEW hätten lediglich "einen hohen Laberfaktor", kommentierte er die Aussagen Porschkes.

Hoher Laberfaktor

Auch die SPD-Fraktion hielt sich sorgsam von konkreten Aussagen fern. So sieht Renate Vogel, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, ein Vorankommen. Doch überstürzen wolle man nichts. Vogel wird sich erstmal die Expertenanhörung zum Gutachten reinziehen und hofft, daß das sehr spannend wird. In Form von Axel Bühler erklärte die GAL-Fraktion den Antrag zwar im Grundsatz für ganz nett, aber da der Hamburger Senat ja am Ausstieg arbeite, sei er eben doch überflüssig. Treffend charakterisierte der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roland Salchow, die GAL-Fraktion. Angesichts der Aussage von Porschke, der Senat "bemühe" sich um die Stillegung, stellte er fest, daß die GAL-Spitze ihren Leuten vor zwei Jahren versichert hätte, daß der Ausstieg aus Brunsbüttel beschlossene Sache sei. Nur dadurch hätte die Parteispitze seinerzeit die Zustimmung der Mitgliederversammlung zum Koalitionsvertrag bekommen. Salchow wörtlich: "Jetzt zeigt sich, daß sie ihre Mitgliederversammlung angeschissen haben." Wenn auch aus CDU-Munde, aber da hat er recht!

HEW schützen

Hamburgs erster Bürgermeister Ortwin Runde hielt es während der Debatte nicht für nötig, sich einzumischen. Runde ist nämlich nicht nur Bürgermeister - gleichzeitig ist er auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats der HEW. In diese Position hatte ihn die GAL während der damaligen Koalitionsverhandlungen gehievt, um dadurch die Bedeutung der energiepolitischen Ziele der Hansestadt gegenüber den HEW deutlich zu unterstreichen, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Doch davon ist bis heute nichts zu spüren.

Nicht in der Bürgerschaft, aber gegenüber dem Stader Tageblatt erklärte Runde wenige Tage vorher, daß aus seiner Sicht das AKW Stade wohl vor dem Aus stünde. Nicht etwa wegen einer konsequenten Ausstiegspolitik seiner Hamburger Koalition oder gar der Bundesregierung, sondern weil die Liberalisierung der Stromwirtschaft einen derart großen Kostendruck vor allem auf die kleinen Kraftwerke ausübe, daß diese kaum noch wirtschaftlich zu betreiben wären. Ausdrücklich nahm er das AKW Brunsbüttel von dieser Beschreibung aus.

Nicht nur, daß er damit einigermaßen deutlich macht, daß er die von seinem grünen Umweltsenator vorgelegte Studie nicht sonderlich wichtig findet. Gleichzeitig ist er ganz Chef der HEW. Denn am Reaktor in Stade sind die HEW nur zu einem Drittel beteiligt und außerdem ist Stade der kleinste und älteste Atommeiler, an dem HEW beteiligt ist. Sollte es also wirtschaftliche Verluste durch eine Stillegung von Stade geben, dann träfe dies mehr PreussenElektra, der das AKW zu zwei Dritteln gehört. Im Falle einer Stillegung von Brunsbüttel sähe das genau umgekehrt aus: Dort halten die HEW zwei Drittel der Anteile und PreussenElektra ein Drittel. Dort würde also HEW den größeren Anteil der Lasten tragen müssen.
Daß Runde den rot-grünen Koalitionsvertrag dabei schlicht nicht beachtet, stört nicht mal mehr die Hamburger GAL-Fraktion. Da stört man sich auch nicht daran, daß eine erneute Kündigung des Gesellschaftervertrages für Brunsbüttel erst im September 2002 wieder möglich ist. Dann hat Hamburg nicht nur eine neue Bürgerschaft gewählt. Bis dahin wird der Hamburger Senat seinen Aktien-Anteil an den HEW von derzeit 50,2 Prozent der Stimmen auf mindestens 25,1 Prozent reduziert haben und daher die Mehrheit an dem Unternehmen verloren haben. Folgt der Senat bei seinen Anteilsverkäufen der bisherigen Linie, dann dürften die HEW schon bald unter Kontrolle von PreussenElektra bzw. dem zu befürchtenden Zusammenschluß von PreussenElektra und dem Bayernwerk stehen.
Mit anderen Worten: die Hamburger Grünen und der rot-grüne Senat geben jetzt alle eigenen Instrumente für einen Ausstieg aus der Hand und setzen offenbar alle ihre Hoffnungen auf die Bundesregierung. Ob das allerdings nützen wird?

DSe


© a.k.i Verlag für analyse, kritik und information GmbH, Rombergstr. 10, 20255 Hamburg
ak Logo www.akweb.de   E-Mail: ak-redaktion@cl-hh.comlink.de
Weiterveröffentlichung in gedruckter oder elektronischer Form bedarf der schriftlichen Zustimmung von a.k.i.