akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 425 / 15.04.1999

Anti-AKW-Bewegung will heißen Herbst

Frühjahrskonferenz in Heidelberg beschließt bundesweite Demo

Mit nur rund 150 TeilnehmerInnen fand vom 9. bis 11. April 99 in Heidelberg die Frühjahrskonferenz der Anti-AKW-Bewegung statt. Eine geringe Beteiligung, wenn man bedenkt, daß die Verhandlungen um einen Atomkonsens zwischen Bundesregierung und Atomwirtschaft weitergehen.

Drei Themen standen im Mittelpunkt der Konferenz: Eine geplante Großdemonstration gegen das Atomprogramm im Herbst, der NATO-Krieg im Kosovo und der Vorwurf des Bundesumweltministers Trittin, Castorblockaden gegen den aus Frankreich und England zurückkommenden Atommüll seien "nationalistisch".

Bundesweite Demo
in Hannover

Nachdem bereits auf einigen Treffen vor der Konferenz über eine bundesweite Demonstration für den atomaren Sofortausstieg diskutiert worden war, sollte die Frühjahrskonferenz abschließend darüber beraten.

Viele Anti-AKW-AktivistInnen kritisieren seit Monaten, daß die Bewegung öffentlich kaum wahrnehmbar sei. Nach dem Castorskandal im letzten Jahr und dem eher mißglückten dezentralen Aktionstag im September 1998 (vgl. ak 418, S.9/10) stehen viele Initiativen ohne Betätigungsfeld da. Lediglich zum ersten Konsensgespräch in Bonn konnte eine kleine Demonstration organisiert werden (vgl. ak 423, S. 10), die öffentlich wahrgenommen wurde. Nicht nur Standorte-Initiativen sondern auch die Hamburger Mobilisierungsgruppe oder das Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim haben deshalb gefordert, die Anti-AKW-Bewegung müsse auch unabhängig von Castortransporten präsent sein und ihre Position gegen Atomkonsens, Standortlager und Restlaufzeiten von AKWs in die öffentliche Auseinandersetzung einbringen.

Strittig war nicht so sehr die politische Notwendigkeit einer solchen Demonstration. Allerdings bestanden über den Ort der Demonstration Differenzen. Vor allem aus Süddeutschland kam Kritik am geplanten Ort Berlin, wie es das Standorte-Treffen (vgl. ak 424, S. 14) empfohlen hatte. Neben praktischen Erwägungen (zu lange Anreise für Süddeutsche) wurde vor allem kritisiert, daß mit Berlin als Regierungssitz der falsche Ort ausgewählt sei. Die Demo sollte lieber am Standort eines Atomkonzerns stattfinden und nicht vor dem Bundeskanzleramt in Berlin, weil die tatsächlichen Entscheidungen nicht von der Politik, sondern von den Konzernen getroffen würden. Das Aktionsbündnis Neckarwestheim schlug daher Hannover (Sitz von PreussenElektra und Expo-Stadt) oder Essen vor (Sitz der RWE und der Gesellschaft für Nuklearservice / GNS, Castorbehälterhersteller). Hannover, so wurde argumentiert, würde aufgrund der Nähe zum Wendland gute Mobilisierungschancen bieten.

Demgegenüber wurde Berlin als Ort damit begründet, daß der Sitz der Bundesregierung für eine breite Bündnispolitik bessere Voraussetzungen liefere. Die für den 9. Oktober terminierte Demo könnte nach rund einem Jahr Rot-Grün für viele soziale Bewegungen, für Gewerkschaften, kirchliche Gruppen etc. Anknüpfungspunkte bieten. Auch ein angestrebtes Bündnis mit der Friedensbewegung, gerade nach dem Beginn des Kosovo-Krieges, spreche für Berlin als Austragungsort, da hier nicht nur die Anti-AKW-Bewegung sondern eben auch andere Bewegungen und Gruppen den "richtigen Adressaten" vorfänden.

Die Konferenz beschloß schließlich eine bundesweite Demonstration am 9. Oktober und empfahl Hannover als Ort. Im Mai soll ein erstes großes Bündnistreffen organisiert werden, um ein Konzept und einen Aufruf zu erarbeiten.

"Nationalistische" Anti-AKW-Bewegung?

Bundesumweltminister Jürgen Trittin hatte im Februar während eines Besuchs bei der BI Lüchow-Dannenberg die Anti-AKW-Bewegung kritisiert. Wer sich bei den möglicherweise noch in diesem Jahr anstehenden Rücktransporten von Atommüll aus der Wiederaufarbeitung aus Frankreich ins Gorlebener Zwischenlager quer stelle, verhalte sich nationalistisch. Deutschland sei für den Atommüll in Frankreich verantwortlich: "Diesen Müll müssen wir zurücknehmen", so Trittin.

Dieser Vorwurf nahm auf der Konferenz in Heidelberg breiten Raum ein. Dabei reichten die Auffassungen von "was schert mich Jürgen Trittin" bis "bloß keine Blockaden direkt an der deutsch-französischen Grenze". Einig war man sich, daß Trittin selbst nicht besonders ernst zu nehmen ist. Denn obwohl er angesichts des Gefährdungspotentials des Atommüll die Franzosen nicht auf dem deutschen Atommüll sitzen lassen will, läßt er auch in Zukunft weitere Transporte aus deutschen Atomkraftwerken zur Wiederaufarbeitung und damit noch mehr Atommüll zu. Vor diesem Hintergrund ist der Vorwurf von Trittin tatsächlich ein Witz.

Allerdings weiß auch die Anti-AKW-Bewegung, daß es für Massenaktionen gegen Castortransporte bislang nur in Ahaus und Gorleben reichte. Zwar gibt es bereits seit über zehn Jahren auch Blockaden gegen die Atomtransporte aus den AKWs zu den Wiederaufarbeitungsanlagen in Frankreich und England, aber an den Aktionen haben selten mehr als einige hundert Menschen teilgenommen. Lediglich vor dem AKW Krümmel fand im September 1997 mit rund 2.000 TeilnehmerInnen eine größere Demonstration gegen die WAA-Transporte statt. (vgl. ak 405, S. 2) Auch arbeiten inzwischen mehrere Initiativen, darunter u.a. die BI Lüchow-Dannenberg oder auch das Neckarwestheim-Bündnis, mit französischen AKW-GegnerInnen zusammen. Erst vor wenigen Wochen traf man sich in Verdun, um über die Castortransporte zu beraten. Eingeladen waren auch englische AtomgegnerInnen, die aber nicht erschienen. Insofern erscheint der Nationalismus-Vorwurf gegen die organisierten Teile der Anti-AKW-Bewegung nicht besonders stichhaltig.

Jedoch gibt es durchaus eine Erklärungslücke, warum vor allem die Transporte nach Gorleben und Ahaus so "beliebt" sind. Von einer Antwort auf diese Frage ist die Anti-AKW-Bewegung aber noch weit entfernt. Marburger AtomgegnerInnen plädierten dafür, eine intensivere Debatte um den Begriff "Grenze" und Nationalismus zu führen. Dazu solle auch die Debatte mit den antirassistischen Initiativen gesucht werden.

Anti-AKW
gegen NATO-Krieg

Angesichts der Bombardierung Jugoslawiens beschloß die Konferenz mit nur wenigen Gegenstimmen eine Resolution, die sich deutlich gegen den NATO-Einsatz aussprach: "Rechtzeitig zum 50jährigen Jubiläum der NATO-Gründung zeigt der Pakt, wozu er fähig ist. Auf dem Balkan gibt er uns einen Vorgeschmack, wohin das neue strategische Konzept der NATO führen wird, das im April in Washington verabschiedet werden soll:

- Beibehaltung der nuklearen Erstschlagoption,

- Selbstmandatierung und

- die Änderung des Art. 5 der NATO-Charta dahingehend, daß nicht mehr territoriale Grenzen der Mitgliedsländer verteidigt werden sollen, sondern deren weltweite ,Sicherheitsinteressen`."

Ausdrücklich wird die Rolle der BRD kritisiert. Seit Jahren habe sie auf die "Zerschlagung" Jugoslawiens hingearbeitet (Anerkennung von Slowenien, Kroatien etc.) Auch gegen die Politik der serbischen Regierung bezog die Anti-AKW-Konferenz Position: "Unabhängig von der Bewertung der NATO-Politik verurteilen wir die seit Jahren andauernde rassistische und nationalistische Politik der serbischen Regierung gegen die kosovo-albanische Bevölkerung. Wir verurteilen aber auch die gegen die serbische Minderheit im Kosovo gerichtete Gewalt und die großalbanisch-nationalistischen Ziele der UCK."

Bereits am Samstag waren einige Konferenz-TeilnehmerInnen von Heidelberg aus zur Blockade der US-Air-Base Spangdahlem gefahren. Von dort starten die Tarnkappenbomber zu ihren Einsätzen gegen Jugoslawien. Ebenso beteiligten sich AtomkraftgegnerInnen an der am Samstag in Heidelberg stattgefunden Demo gegen den NATO-Krieg.

DSe


© a.k.i Verlag für analyse, kritik und information GmbH, Rombergstr. 10, 20255 Hamburg
ak Logo www.akweb.de   E-Mail: ak-redaktion@cl-hh.comlink.de
Weiterveröffentlichung in gedruckter oder elektronischer Form bedarf der schriftlichen Zustimmung von a.k.i.