akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 423 / 18.02.1999

Der nächste Castor wartet schon

Wichtig ist in nächster Zeit eine gründliche Recherche, damit die Vorbereitungen für neue Castor-Transporte nicht im Verborgenen bleiben. Aktuell sieht es an einzelnen Standorten folgendermaßen aus:

In den AKWs Ohu und Biblis stehen leere Behälter schon seit dem letzten Sommer zur Beladung und zum Transport Richtung WAA bereit. Sie waren kurz vor dem Beginn des Transportestopps angeliefert worden. Die Betreiber haben erklärt, daß sie die Castoren beladen und losschicken wollen, sobald der Transportestopp aufgehoben wird.

Anfang Dezember 1998 wurden drei leere Castoren vom Typ V/19 nach Neckarwestheim gebracht. Diese Behälter werden ausschließlich für die Zwischenlager Ahaus und Gorleben eingesetzt. Auch vor dem Transport Neckarwestheim-Gorleben im März 1997 und dem Transport Neckarwestheim-Ahaus im März 1998 waren die leeren Behälter jeweils am Ende des Vorjahres eingetroffen. Offizielle Begründung diesmal: Auf dem Gelände der Herstellerfirma sei nicht mehr genug Lagerplatz. Deshalb werden die Behälter jetzt im schwäbischen AKW "zwischengelagert".

Ende Dezember traf ein leerer Behälter in Philippsburg ein. Damit sollen umfangreiche Beladetests mit einer neuen Kontaminations-Schutzhülle durchgeführt werden.

Das Gerücht vom Eintreffen eines leeren Behälters in Brunsbüttel wurde von der schleswig-holsteinischen Landesregierung dementiert.

Der für Frühjahr 1999 erwartete Transport von Lingen nach Ahaus ist durch die Ankündigung der AKW-Betreiber, ein Zwischenlager bauen zu wollen, unwahrscheinlicher geworden. Sie wollen nur dann wieder nach Ahaus transportieren, so sagen sie, wenn das Zwischenlager in drei Jahren noch nicht fertig ist. Allerdings soll es irgendwann noch zwei Transporte von Lingen nach Sellafield geben.

In Stade ist bekanntlich das Abklingbecken voll. Um den Reaktor nicht in Kürze vom Netz nehmen zu müssen, haben die Betreiber beim niedersächsischen Umweltministerium den Einsatz eines zusätzlichen Lagergestells beantragt, das über den bisherigen Lagervorrichtungen in das Becken gehängt werden soll. Mit diesem Provisorium könnte das AKW ein weiteres Jahr in Betrieb bleiben. Stade befindet sich derzeit in Revision, der Einsatz des Lagergestells ist genehmigt.

Bei folgenden AKWs könnte in den nächsten 12 Monaten die Lagerkapazität erschöpft sein, wenn es nicht zu Abtransporten oder Stillegung kommt: Stade, Krümmel, Biblis A, Biblis B, Philippsburg 1, Neckarwestheim 1.

Außer dem in Lingen bereits konkret geplanten neuen Zwischenlager gibt es erste Überlegungen zum Bau neuer Hallen in Neckarwestheim und Brunsbüttel. (Wahrscheinlich gibt es noch mehr Überlegungen, aber die genannten sind schon bekannt geworden)

Fazit: Noch ist kein Transporttermin bekannt, noch hält der Transportestopp an. Aber die Betreiber bereiten sich intensiv auf neue Atommüll-Fuhren vor. Der Zeitdruck wächst. Folgende Arten von Castor-Transporten sind aufgrund der aktuellen Lage in Zukunft möglich:

1. Transporte AKW - WAA: Das betrifft diejenigen AKWs, die nicht genug Lagerplatz im Abklingbecken haben und die noch Verträge mit einer WAA haben (Die Mehrzahl hat diese Verträge noch).

2. Transporte AKW - Gorleben/Ahaus: Das betrifft diejenigen AKWs, die nicht genug Lagerplatz im Abklingbecken haben und die keine Verträge mehr mit einer WAA haben oder deren Transportbehälter aufgrund nicht bestandener Crashtests nicht mehr zugelassen sind. Es gibt Spekulationen, daß diese Transporte eher nach Ahaus rollen sollen, weil Gorleben den ganzen hochaktiven WAA-Müll aufnehmen muß. Das ist aber nicht belegt.

3. Transporte La Hague - Gorleben: Für dieses Jahr ist ein Transport mit sechs Behältern angekündigt, die schon komplett beladen sind. Ab nächstem Jahr sollen jährlich zwei solche Atommüll-Züge rollen. Dieser Zeitplan ist noch kein Konsens zwischen Frankreich, der Bundesregierung und Niedersachsen. Bei diesen Transporten gibt es keine Probleme mit Außenkontamination oder Restfeuchte, da die Glaskokillen trocken eingepackt werden.

4. Transporte Rossendorf - Ahaus und Rheinsberg - Greifswald: Ob die Transporte der Brennelemente aus den abgeschalteten DDR- Reaktoren wie angekündigt dieses Jahr auf die Reise in die Zwischenlager gehen, ist unklar.

Wenn Fall 4 zuerst eintritt, hat die Anti-Atom-Bewegung ein spezielles Problem, weil es schwieriger ist, gegen Transporte aus abgeschalteten Reaktoren zu mobilisieren.

Wenn Fall 3 zuerst eintritt, gibt es auch Probleme. Die öffentliche Diskussion der letzten Wochen hat schon gezeigt, was da auf die Bewegung zukommt. Wobei die Umweltverbände von der Presse reihenweise sinnentstellend zitiert worden sind. Sie alle sagen nämlich, daß sie nur dann nichts gegen Rücktransporte haben, wenn die AKWs stillgelegt sind oder in kurzer Zeit stillgelegt werden. Ansonsten leisten sie mit den Initiativen Widerstand.

Fall 2 als Erster ist wohl am Unwahrscheinlichsten, weil technisch aufgrund des Restfeuchte-Problems zur Zeit nicht machbar und auch, weil das ja schon eine gnadenlose Dummheit der Betreiber wäre. Aber wer weiß?

Fall 1 ist sehr wahrscheinlich, weil der Entsorgungsdruck wächst und es hier um die größten Mengen geht. Gäbe es keinen Widerstand, dann wären die Transporte AKW - WAA in den nächsten Jahren wie schon bis 1998 die mit Abstand Häufigsten, eben der "Weg des geringsten Widerstandes".

jost

Bundesweites Treffen zur Koordination der Aktivitäten gegen den 1. Transport am 13. März in Münster. Infos bei der WIGA, Tel.: 0251-5389797


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