VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT

Plutonium in Atomreaktoren

 

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Herausgeber: DIE GRÜNEN/ GAL HAMBURG

DIRK SEIFERT:

VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT, Plutonium in Atomreaktoren

"Die Energie, die wir benötigen, bekommen wir nur aus dem Strom, gegen den wir schwimmen." Leander Segebrecht

 

Inhaltsverzeichnis:

1. Worum gehts?

S. 3

2. Was sind Mox-Brennelemente?

S. 4

2.1. Woher stammt dieses Plutonium

S. 4

2.2. Das Siemens-Werk Hanau: Alkem

S. 6

3. Plutonium, die Bombe und Alkem

S. 8

4. Die Verarbeitung von Plutonium

S. 12

5. Warum MOX?

S. 14

6. Die Verwendung von MOX in der BRD

S. 16

7. MOX im Atomreaktor

S. 18

8. Das Ultragift: Plutonium

S. 19

Leukämie in Krümmel

S. 21

9. Hamburg und MOX

S. 22

10 Die Entsorgung: Im Westen nichts neues

S. 24

10.1. Neue Gutachten zur Wiederaufarbeitung

S. 26

10.2. Die Entsorgung der HEW Reaktoren

S. 28

11 Fünf Jahre nach Tschernobyl: Atomausstiegspläne im Norden

S. 30

Schleswig Holstein

S. 30

Hamburg: Nix Gewesen

S. 31

Niedersachsen

S. 32

Keine Sorgen für die Atomindustrie

S. 35

12. Was tun gegen MOX?

S. 36

Literaturverzeichnis

 

Kontakte

 

1. WORUM GEHTS??

In Sachen Atomenergie ist die "Plutoniumwirtschaft" seit einigen Jahren ein geflügeltes Wort. Vor allem Seitens der SPD wird auch heute noch betont, daß der Einstieg in dieses besondere Branche der Atomwirtschaft verhindert werden müsse. Das 1989 für viele von den Atomunternehmen überraschend verkündete Aus für die Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Wackersdorf und nun auch das Ende des Schnellen Brüters (SBR) in Kalkar haben den Eindruck entstehen lassen, als könnte dieser Einstieg tatsächlich verhindert werden. Doch dieser Schein trügt. Der Einstieg in die Plutoniumwirtschaft ist nicht mehr zu verhindern. Sie findet längst statt. Seitdem das erste Uran-Brennelement in einem Atomreaktor mit Neutronen beschossen wurde, um durch die entstehende Wärme Wasser aufzuheizen, wird Plutonium im industriellen Maßstab hergestellt.

Das Plutonium, von dem schon wenige tausendstel Milligramm Lungenkrebs und Leukämie erzeugen können, wird inzwischen im Tonnenmaßstab hergestellt und in den Wiederaufarbeitungsanlagen am Cap de La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) aus den bestrahlten Brennelementen bundesdeutscher Atomkraftwerke (AKW) abgetrennt. Im Rahmen der vom Atomgesetz gebotenen "schadlosen Verwertung" wird dieses Plutonium in den nächsten Jahren in nahezu sämtliche AKWs zurückgeführt.

Der Blick auf die geplante WAA in Wackersdorf und den Schnellen Brüter in Kalkar haben lange Zeit den Blick versperrt, für das, was seit einigen Jahren in der Atombranche praktiziert wird: Die industrielle Gewinnung des Plutoniums durch die Wiederaufarbeitung und die Weiterverarbeitung zu Plutoniumbrennelementen für die konventionellen Leichtwasser-Atomreaktoren der Bundesrepublik.

Nach Brokdorf sollen nun nach dem Willen der Hamburgischen Elektrizitäts Werke (HEW) auch in den unter ihrer Führung betriebenen Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel plutoniumhaltige Mischoxid-Brennelemente (MOX) einsetzen.

Die SPD-Landesregierung in Schleswig Holstein betrachtet diese Planungen der HEW als "wesentliche Änderung im Sinne von § 7 Abs. 1 des Atomgesetzes", d.h. als eine gravierende Änderung der bisherigen Anlage. Aus diesem Grund wurde eine Öffentlichkeitsbeteiligung angeordnet.

Die öffentliche Auslegung der HEW-Antragsunterlagen für den Plutonium-Einsatz im AKW Brunsbüttel fand im Spätsommer 1990 statt. Dabei haben 20.000 BürgerInnen Widerspruch erhoben. Unter den Einwendern sind auch zehn Städte und Gemeinden, so z.B. Wilster, Elmshorn, Norderstedt und Wewelsfleth.

Schleswig Holsteins Energieminister Günter Jansen (SPD) verwies in einer Presseerklärung darauf, daß der Einsatz von Plutonium in Brennelementen "energiewirtschaftlich überhaupt nicht erforderlich" sei. Das Kieler Energieministerium lehne den MOX-Einsatz ab, da sich die "Gefährlichkeit des radioaktiven Inventars zusätzlich erheblich erhöhe." Darüber hinaus hält die schleswig-holsteinische Landesregierung die energiewirtschaftliche Nutzung des Plutoniums aufgrund seiner extremen Giftigkeit für "verfassungswidrig".

Doch der Einsatz von MOX-Brennelementen und der vorausgehenden Wiederaufarbeitung ist vor allem eine politische Auseinandersetzung. Denn ohne das irgendwo auf der Welt ein Endlager für den anfallenden Atommüll existiert, stellt die Wiederaufarbeitung in Frankreich und England heute für die bundesdeutschen Atomreaktoren die einzige Möglichkeit dar, die atomrechtlich vorgeschriebene "Entsorgunsvorsorge" nachzuweisen. Nur solange dieser Weg politisch anerkannt wird, können Atomkraftwerke überhaupt betrieben werden. Technisch hingegen hat dieser Weg mit Entsorgung nichts zu tun. Pro wiederaufbereitetem Kilogramm entsteht die bis zu zehnfach größere Menge an zusätzlichem Atommüll. Auch dieser hochradioaktive Müll muß von der Bundesrepublik zurückgenommmen und irgendwo endgelagert werden. Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz des zurückgewonnenen Plutoniums in MOX-Brennelementen also aus rein legitimatorischen Gründen für die Atombetreiber zwingend notwendig.

Unabhängig von der politischen und energiewirtschaftlichen Dimension wird durch den MOX-Einsatz das Gefahrenpotential in Brunsbüttel und Krümmel ansteigen.

Wie in Brunsbüttel, wollen die HEW auch im AKW Krümmel Plutonium-Brennelemente einsetzen. Nach Ankündigungen der schleswig holsteinischen Landesregierung soll die zwei Monate dauernde öffentliche Auslegung der Antragsunterlagen nach den Sommerferien beginnen.

Diese Broschüre soll die Risiken, die Hintergründe und die politischen Probleme des Einsatzes von MOX-Brennelementen beleuchten und aufzeigen, aus welchen Gründen der Einsatz dieser Brennelemente für die weitere Zukunft oder für den Ausstieg aus der Atomenergie von Bedeutung ist.

2. WAS SIND MOX-Brennelemente?

Hinter dem Kürzel MOX verbirgt sich ein auf den ersten Blick relativ harmlos wirkendes Wort: MischOXid. Die Atomindustrie hat sich dieses Kürzel wohl überlegt, denn in der Tat werden bei der Herstellung von MOX-Brennelementen zwei Stoffe miteinander vermischt. Dennoch scheute sich die Atomwirtschaft in der Vergangenheit nicht, Brennelemente aus Uran auch als Uran-Brennelemente zu bezeichnen, das heißt, die stofflichen Bestandteile des Brennstoffs mit Namen zu nennen, so ist sie beim MOX dazu übergegangen, nicht den Stoff, sondern das technische Herstellungsverfahren in den Vordergrund zu schieben. Solche Griffe in die sprachliche Trickkiste sind zwar nicht neu, sie offenbaren aber immer noch, daß man bestimmte Assoziationen ausschließen will, um nicht unnötigen Widerstand zu ernten. Kurzum: der Atomindustrie ist es in höchstem Maße unangenehm, von dem zu sprechen, was in den MOX-Brennelementen drin ist: PLUTONIUM.

Der Grund, warum die Atomindustrie dieses Wort so meidet, liegt auf der Hand: Plutonium zählt zu den giftigsten Stoffen, die es auf der Welt gibt und - darunter leidet die vorgeblich zivile "Kernenergienutzung" seit jahrzehnten - der Stoff aus dem die "Kernbombe" gebaut wird (dazu später mehr). MOX-Brennelemente sind also nichts anderes als Plutoniumbrennelemte.

2.1. Woher stammt dieses Plutonium?

Das Plutonium, das für die Herstellung von MOX-Brennelementen verwandt wird, stammt nach Angaben der Betreiber aus den bundesdeutschen Atomkraftwerken. Nach durchschnittlich drei Jahren im Atomreaktor gelten die Uran-Brennelemte als abgebrannt und müssen ausgetauscht werden. Durch die Bestrahlung hat sich die Zusammensetzung der Uran-Brennelemte verändert.

100 % Uran nach 33.000 Mwd/t 95,5 % Uran

3,5 % Spaltprodukte

1,0 % Transurane

3,2 % U-235 delta 2,44 % 0,76 % U-235

0,44 % U-236 0,44 % U-236

2,00 % SP 3,50 % SP

1,50 % Pu 0,90 % Pu

1,00 % Np, Am, Cu 0,10 % Np, Am, Cm

96,8 % U-238 delta = 2,5 % 94,30 % U-238

- Veränderung eines Uran-Brennelements nach der Bestrahlung

Bestand das Uran-Brennelement vormals zu etwa 95 Prozent aus dem nichtspaltbaren Uran-238 und zu 5 Prozent aus dem spaltbaren Uran 235, so enthält es nun neben dem Uran 238 nur noch ein Prozent spaltbares Uran 235. Zusätzlich ist ein Prozent Plutonium "erbrütet" worden, außerdem rund drei Prozent anderer Spaltprodukte und Transurane. Das PLUTONIUM-Isotop 239 entsteht im Reaktor durch Neutroneneinfang aus dem U-238 über die kurzlebigen Isotope U-239 und Np-239. Schon während des Reaktorbetriebes wird das Plutonium-239 wieder gespalten und trägt zu etwa einem Drittel zur gesamten Energieerzeugung bei. Durch die lange Verweildauer im Reaktor bilden sich außerdem auch höherere Plutoniumisotope sowie die Transplutoniumelemente Americium und Curium. In der BRD werden jährlich etwa 6 Mg(t) Plutonium erzeugt.

Reaktortyp Gesamtmenge PU [kg] spaltbares Pu-fiss [kg]

Gas-Graphit-Reaktor 580 430

Leichtwasserreaktor 260 200

Schwerwasserreaktor 510 250

Schneller Brüter (Superphenix) 300 293

Tabelle: Jährlich erzeugte überschüssige Plutoniummenge je 1000 MWe Leistung für verschiedene Reaktortypen, KFK, S.55

Um an dieses durch den Abbrand erzeugte Plutonium heranzukommen, werden die bestrahlten Brennelemente, nachdem sie etwa ein Jahr lang im Atomkraftwerk zwischengelagert wurden, zur Wiederaufarbeitung abtransportiert. Nach dem endgültigen Aus für die Wiederaufarbeitungsanlage im bayerischen Wackersdorf haben die bundesdeutschen AKW-Betreiber entsprechende Verträge mit der französischen Anlage der COGEMA in La Hague und mit dem britischen Betreiber der WAA in Sellafield, der BNFL, abgeschlossen.

In einem komplizierten und gefährlichen Verfahren wird in der WAA das Plutonium (und das spaltbare Uran 235) aus den bestrahlten Brennelementen herausgefiltert und anschließend zu Plutoniumdioxid (PuO2) konvertiert (umgewandelt).

Aus den rund 500 Tonnen bestrahlter Brennelemente, die jährlich von den bundesdeutschen AKWs zur Wiederaufarbeitung geschickt werden, sind bis heute rund 36 Tonnen Plutonium entstanden (siehe Tabelle im VDEW-Papier). Von dieser Menge sollen sich nach Angaben der Hamburger Umweltbehörde noch rund 26 Tonnen in zwischengelagerten abgebrannten Brennelementen befinden, d.h. sie sind noch nicht durch Wiederaufarbeitung in Frankreich oder Großbritannien abgetrennt worden. Die Umweltbehörde geht davon aus, daß insgesamt etwa 12 Tonnen Plutonium bei der WAA abgetrennt wurden, von denen ca. 5 Tonnen (überwiegend) in Frankreich gelagert werden. Fünf Tonnen Plutonium sind bisher zu MOX-Brennelementen verarbeitet worden, rund zwei Tonnen Plutonium sind zu Brennelementen für Brutreaktoren verarbeitet worden, und zwar sowohl für den französischen Superphenix in Malville als auch für den inzwischen beerdigten SNR Kalkar. In einem Beitrag für die "Atomwirtschaft" geht Dr. H.-J. Dippert vom Elektroriesen RWE davon aus, daß jährlich etwa 4,75 Tonnen Plutonium anfallen. (vgl. Atomwirtschaft, 2/91, S.85)

Nach der WAA wird das Plutoniumdioxid zur Weiterverarbeitung wieder in die BRD gebracht. Die einzige Anlage in der Bundesrepublik, die dieses Plutonium zu MOX-Brennelementen verarbeiten kann, steht im hessischen Hanau und gehört heute der SIEMENS AG.

2.2. DAS SIEMENS-WERK HANAU: ALKEM

Besser bekannt ist dieses Werk allerdings unter dem Namen ALKEM.

Die Alkem wurde 1963 gegründet. Bereits ein Jahr später beteiligte sich Dow Chemical mit 30 Prozent an der Alkem. Der US-Konzern stellte im Auftrag der US Atomic Energy Commission Atombombenteile in der Anlage »Rocky FlatsFehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.Zeitpunkt noch in Karlsruhe ansässig war. Nach dem Rückzug von Dow Chemical übernahmen Siemens und die AEG 1966 zu je 30 Prozent Anteile an der Alkem, die später in den Besitz der zum Siemens-Konzern gehörenden Kraftwerks-Union (KWU) übergingen. Die restlichen 40 Prozent waren bis zum Hanau-Skandal im Besitz der Nukem, die wiederum mehrheitlich zum Konzern der -Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) gehörte. Seit 1965 hantierte die Alkem in Karlsruhe mit Plutonium, bevor dann ab 1972 die Anlage im Hanauer Stadtteil Wolfgang in Betrieb genommen wurde.

War ihr Zweck zunächst vor allem auf die Herstellung der Brennelemente für Schnelle Brüter konzentriert, so spielten in den folgenden Jahren die Mischoxid-Brennelemente für Leichtwasserreaktoren eine immer größere Rolle. Wie insgesamt bei der Forschung und Entwicklung im Bereich der Atomenergie, ist auch die ALKEM mit erheblichen Mitteln aus dem Bundesministerium für Forschung und Technolgie finanziert worden. Im 4. Atomprogramm der Bundesrepublik aus dem Jahre 1972 ist nachzulesen, daß für den Zeitraum von 1973 bis 1977 die ALKEM mit "staatlichen Mitteln eine automatisierte PU-Verarbeitungsanlage entwickelt und aufgebaut" hat. (Traube, S.63) Und 1977 gab das BMFT in dem auf das vierte Atomprogramm folgenden "Programm Energieforschung und Energietechnologie 1977-1980" bekannt: "Die Herstellung PU-haltiger Brennelemente ist wegen der Radiotoxizität und wegen des notwendigen Umgangs mit großen Mengen offener radioaktiver Substanzen sehr aufwendig. Diese Technologie ist jedoch in den letzten Jahren soweit entwickelt worden, daß die Bundesrepublik hier eine führende Stellung einnimmt. Dennoch sind im Hinblick auf die Übertragung in den großtechnischen Maßstab noch weitere Entwicklungsarbeiten notwendig ... vor allem zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Erhöhung der Verfügbarkeit der Fertigung ... Die im Leichwasserreaktor (LWR)-System entwickelten Rückführungstechnologien schaffen die technologische Basis für den späteren Schnellbrüter-Kreislauf."

Auch dem 1982 erneuerten BMFT-Forschungsprogramm ist zu entnehmen, daß weiterhin staatliche Gelder in die Entwicklung der MOX-Brennelemente gesteckt wurden. Für Traube ist dies Beleg dafür, daß es mit der Wirtschaftlichkeit der MOX-Elemente offensichtlich nicht weit her ist. Die massiven staatlichen Entwicklungsgelder für die ALKEM sind, so Traube, notwendig, "weil diese Fabrik, obwohl »weltweit führend« aus den technisch bedingten, in Kosten resul_tierenden Problemen nicht herauskommt."»

Traube und zahlreiche andere Autoren haben in der Vergangenheit immer wieder auch darauf hingewiesen, daß die Wiederaufarbeitung und die MOX-Fertigung bis heute wirtschaftlich völliger unsinn ist. Der Pariser WISE-Mitarbeiter Mycle Schneider berichtet, daß selbst die staatliche "Electricite de France" (EDF) noch 1989 davon Sprach, daß sie für MOX im Vergleich zu Uranbrennelementen das bis zu fünfache pro Stück zahle und daß die Franzosen davon ausgehen, daß selbst stark erhöhte Produktionszahlen lediglich dazu führen werden, daß MOX noch um das dreieinhalbfach teuerer sein wird. Von der bundesdeutschen Atomwirtschaft wird dies bis heute immer wieder bestritten. Das Problem der Wirtschaftlichkeit hänge von der Fertigungskapazität für MOX ab, heißt es. Steigt die Produktion an Plutonium und für MOX-Elemente, dann sollen sich die Kosten deutlich reduzieren und mit der Herstellung von Uran-Brennelementen vergleichbar sein. Selbst wenn diese Rechungen der Atomwirtschaft irgendwann einmal aufgehen sollten. Ohne die massive Unterstützung mit staatlichen Mitteln würde es ein Unternehmen wie die Siemens-Alkem in der Bundesrepublik kaum geben.

Allein die Alkem erhielt bis Ende 1983 erhielt eine Gesamtsumme von 261 Millionen DM an Forschungs- und Entwicklungsgeldern. Eine Übersicht über einige Projekte auch über das Jahr 19883 hinaus macht den Umfang der staatlichen Unterstützung deutlich:

- Förderung für Planung und Errichtung eines Sicherheitsgebäudes für die Mischoxid-Fertigung der Firma Alkem (1984 - 1989, 37,3 Mio. DM)

- Rückführung von Plutonium, (1983, 7,9 Mio. DM)

- Abfallbehandlungsanlage zur Rückgewinnung von Plutonium und Behandlung fester alphahaltiger Abfälle (1983-1984, 3,1 Mio. DM)

- Einrichtung eines Plutoniumnitratlagers (1983-1984, 3,5 Mio. DM)

- Entwicklung von Anlagen für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Plutoniumtechnologie (1982-1984, 9,8 Mio. DM)

- Untersuchung zur Sicherung und Weiterentwicklung des Standorts Wolfgang (1979-1983, 13,6 Mio. DM)

Quelle: Nuklearzentrum Hanau, 1984

Im Rahmen der ersten Ausbaustufe der Alkem wurde jährlich ein Durchsatz von rund einer Tonne Plutonium erreicht. Dies entsprach einer MOX-Brennstoffmenge von jährlich rund 25 Tonnen bzw. etwa 50 MOX-Brennelementen vom Typ Biblis. Seit dem Herbst 1987 wurde dann mit dem weiteren Ausbau der Anlage begonnen, die ab 1992 jährlich 120 Tonnen MOX-Brennstoff herstellen soll, d. h. rund fünf Tonnen Plutonium verarbeiten und rund 200 MOX-Brennelemente pro Jahr ausliefern will. Bisher, so verkündet das Siemens-Werk in ihren Werbeanzeigen stolz, habe man in Hanau ingesamt 200 MOX-Elemente gefertigt.

Nach Angaben der Autoren des "Wer mit Wem" (vgl. S.8f) hat die Alkem bis 1981 rund 25 Tonnen Plutonium zu MOX-Brennstoff verarbeitet. Bis zum Jahr 1986 sollen rund 36 Tonnen dieses hochgiftigen Stoffes aus den WAAs in Frankreich und Großbritannien an die Alkem geliefert worden sein.

Obwohl der ehemalige CDU-Umweltminister Karlheinz Weimar nach der Anfang des Jahres verlorenen Landtagswahl in Hessen, bei der es zu einer SPD-Grünen Regierung kam, zugesichert hatte, daß eine abschließende Genehmigung für den Um- und Neubau der Alkem nicht mehr durch die alte Regierung erteilt werde, erließ er im März 1991 die endgültige Genehmigung. In bekannter atomstaatlicher Manier hatte sich Klaus Töpfer in das Verfahren eingeschaltet und betont, daß es keinerlei Gründe gäbe, daß die abgewählte CDU-Landesregierung die ausstehende Genehmigung nicht erteile.

Mit der sechsten und abschließenden Teilgenehmigung hat die Alkem nun die Erlaubnis folgendes vorzunehmen:

- die Umrüstung der vorhandenen Einrichtungen in den bestehenden Fertigungshallen 1 und 2,

- den Umzug von Anlageteilen aus den derzeit betriebenen Produktionseinrichtungen der Hallen 1 und 2 in das neue Produktionsgebäude

- die Nachrüstung der Einrichtungen zur Abfallbehandlung,

- die Errichtung der neuen Labor- und Lagereinrichtungen in den ausgeräumten Fertigungshallen 1 und 2,

- die stufenweise aktive Inbetriebnahme der neuen Prodkutionseinrichtungen und

- den Betrieb aller in dieser wie in den vorangegangenen Teilgenehmigungen zur Errichtung genehmigten Einrichtungen vorzunehmen.

Danach kann Alkem mit der Produktion in dem neuen Fertigungsgbäude ab Ende 1992 beginnen. Die derzeitige Fertigung in den bestehenden Hallen 1 und 2 wird dann im ersten Quartal 1993 eingestellt.

Mit dieser Genehmigung wird es für die Siemens-Alkem erlaubt, ab Ende 1992 insgesamt 6,7 Tonnen Plutonium jährlich zu verarbeiten.

3. ZIVIL-MILITÄRISCHES ZUM PLUTONIUM -- DER BUNKER DER ALKEM

Die militärische und zivile Nutzung der Atomenergie ist aufgrund der Technik und des benötigten Know How untrennbar miteinander verbunden. Jede Atomanlage birgt daher auch die Gefahr der Proliferation, d.h. daß spaltbares Material direkt oder indirekt für militärische Zwecke abgezweigt werden kann. Dabei kommt es noch nicht einmal so sehr darauf an, ob es in der Vergangenheit tatsächlich Vorfälle gegeben hat, die für die Bundesrepublik darauf hinweisen, daß es ein Streben zur deutschen Atombombe gibt. (vgl. dazu das am Ende dieser Broschüre befindliche Literaturverzeichnis) In jedem Fall verfügt die Bundesrepublik über nahezu sämtliche technischen Anlagen, um innerhalb kürzester Zeit aus der zivilen eine militärische Atomenergienutzung zu machen. In seinem Buch "Die Plutoniumwirtschaft" hält Klaus Traube dazu fest: "Gleichwohl bleibt die Grenze zwischen der militärischen und zivilen Nutzung der Kerntechnik fließend. Die zivile Atomenergienutzung ist im Prinzip ein militärisches Potential, dessen Abrufung jederzeit politisch blockiert oder forciert werden kann."

Nach dem Anschluß der DDR ist das große Deutschland inzwischen auf dem Weg wieder eine Großmacht zu werden. Auch militärisch will die BRD wieder "Verantwortung" übernehmen und die Bundesregierung ist derzeit bemüht, die Verfassung in Richtung deutscher Militärpräsens in aller Welt zu verändern. Die SPD, die bislang "nur" dem Einsatz bundesdeutscher Truppen im Rahmen der UNO-Blauhelme zustimmen will, hat selbst auf die Problematik hingewiesen, die eine Verfassungsänderung mit sich bringt: Jede Veränderung kann als Tür-öffner zum weltweiten Einsatz deutscher Truppen werden. Dabei muß es aber nicht nur um Truppen gehen.

"Unbestritten ist, daß die Bundesrepublik Deutschland bereits heute über Kapazität, Know-how, Hardware und Rohstoffe zur Atombombenproduktion verfügt", stellt auch Helmut Hirsch fest. (Restrisiko 2, S.9) Wer diesen Hintergrund bedenkt, kann nicht ausschließen, daß eine Bundesrepublik, die sich inzwischen selbst den Anspruch setzt, ihre "Rolle in der Weltpolitik" spielen zu wollen, auch mit Atomwaffen bestückt. Die Mittel dazu stehen ihr jedenfalls jederzeit zur Verfügung, solange Atomanlagen in diesen Land betrieben werden.

Nachdem die USA am Ende des Zweiten Weltkrieges über Hiroshima und Nagasaki eine Uran- und eine Plutoniumatombombe explodieren ließen, die noch heute ihre Opfer kosten, war die Atomgemeinde bemüht, der nuklearen Kettenreaktion ein neues Image zu verpassen. Seitdem wird von Seiten der Atomwirtschaft immer wieder die "friedliche Nutzung der Atomenergie" beteuert. Die Bundesrepublik, die bis heute nicht zu den Atomwaffenmächten zählt, hat seit Anbeginn des Atomprogramms immer betont, daß die Nutzung der Atomenergie ausschließlich friedlichen Zwecken diene. Darüber hinaus, so versicherte die Atomwirtschaft, könne man mit dem in normalen Atommeilern erzeugten Reaktorplutonium aufgrund der starken Verunreinung mit störenden PU-Isotopen eine Atombombe nicht bauen und es sei daher militärisch völlig uninteressant.

Mit einem Knall widerlegte US-Präsident Carter Ende der 70er Jahre diese Schutzbehauptung der zivilen Atomtechniker. Carter ließ eine solche "schmutzige Atombombe" bauen und zündete sie in der Wüste von Nevada. Mit Erfolg. Seitdem wird von Seiten der zivilen Atomindustriellen nur noch behauptet, daß das Reaktorplutonium lediglich "denkbar ungeeignet" zum Bombenbau ist, weil aufgrund der Verunreinigung nur ein sehr ungenauer Zündzeitpunkt der Bombe zu bewerkstelligen wäre und außerdem eine deutlich geringere Zerstörungswirkung erreichbar sei.

Außerdem kann das für "saubere" Atomwaffen benötigte weitgehend isotopenfreie Plutonium-239 (>93%) auch im Leichtwasserreaktor erzeugt werden, wenn das Uranbrennelement nur für ca. einen Monat im Reaktor bleibt. In den Atomwaffenstaaten werden hierfür allerdings spezielle, meistens schwerwassermoderierte Produktionsreaktoren eingesetzt. Vorteil dieser Reaktoren ist es, daß die Brennelemente auch während des Betriebs herausgenommen werden können. Um möglichst wenige störende Plutonium-Isotope zu erhalten darf der Abbrand nur einige 100 MWd/t (Megawatttage pro Tonne) betragen. (1 MW=1000 kW; 1 MWd = 24.000 kWh) Bleiben die Brennelemente länger im Reaktor, bilden sich hingegen auch Plutonium-238 und Plutonium-244, was für Waffen störend ist. Die Zusammensetzung des Reaktorplutoniums hängt von der Anfangsanreicherung mit Uran-235 und vom Abbrand ab, außerdem spielt der Reaktortyp eine Rolle.

Doch die Bundesrepublik verfügt nicht nur über Reaktorplutonium. Allein bis 1982 importierte die BRD bereits 754 Kilogramm Plutonium mit dem sehr hohen durchschnittlichen Anreicherungsgrad von 89% PU 239 aus den USA (siehe Tabelle). In dem 1988 erschienenen Buch "Reaktoren und Raketen" stellt der Konkret-Autor und Diplom-Physiker Detlef zum Winkel fest: "Mit keiner Silbe hat ALKEM dieses stattliche Kontingent jemals erwähnt" und ebenso "wird gemauert, wenn es um das Plutonium geht, das über Jahrzehnte im Karlsruher Kernforschungszentrum produziert worden ist, wo es eine Brütervorrichtung im Laborformat wie auch eine kleine Wiederaufarbeitungsanlage gibt. Auch das aus Karlsruhe stamende Material muß sehr hohe Reinheitsgrade besitzen." Plutonium solcher Anreicherung ist ohne größeren Aufwand auch für einige dutzend "sauberer" Atombomben geeignet.

Summe der Exporte von hochangereichertem Uran (mit mehr als 20% Uran 235) und von Plutonium aus den USA aneuropäische Länder und Japan im Zeitraum vom 1.1.1954 bis 31.12.1982

Bestimmungsland/Menge(Kg)/Mittl.Anreicherung(%U235,PU239)/Anteil am US-Gesamtexport

Hochangereichertes Uran

BRD 9990 66% 42,2%

Frankreich 6268 74% 26,6%

Großbritannien 2301 93% 9,8%

Japan 1995 47% 8,5%

Italien 382 80% 1,6%

Belgien 187 85% 0,8%

Plutonium

BRD 754 89% 61,6%

Japan 159 88% 13,0%

Italien 129 79% 10,5%

Belgien 58 81% 4,7%

Großbritannien 54 84% 4,4%

Frankreich 42 92% 3,4%

Gelagert wird dieses und das aus der Wiederaufarbeitung stammende Plutonium in dem extra dafür gebauten und durch Bundesmittel finanzierten Bunker bei der Siemens- Alkem. Anfang der 80er Jahre wurde er für die stattliche Summe von 22 Millionen DM fertiggestellt. Das BMFT hatte 80 Prozent der Kosten beigesteuert. Dafür dient der Bunker auch der nach dem Atomgesetz geregelten "staatlichen Verwahrung" von Plutonium. In der ersten Umgangsgenehmigung von 1974 war der Alkem eine Menge von 460 Kilogramm Plutonium erlaubt worden. Ab 1992 dürfen von der Siemens-Alkem rund 6,7 Tonnen des Bombenstoffes in Hanau gelagert bzw. verarbeitet werden, eine Steigerung der Plutoniummenge also um das vierzehnfache. Genauere Angaben darüber, wieviel Plutonium im Rahmen der staatlichen Verwahrung in dem Hanauer Bunker enthalten ist, gibt es nicht. Die Bundesregierung hüllt sich hier bis heute in Schweigen. Nach Angaben im "Wer mit Wem" finden Kontrollen der Internationalen Atomenergie Behörde (IAEO) in diesem Plutonium-Bunker nicht statt.(S.9)

Eine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion aus dem Jahre 1984 ergab jedoch, daß die Steigerung der Plutoniummenge, die die Siemens-Alkem beantragt hat, unabhängig von dem Plutonium, welches im Rahmen "staatlicher Verwahrung" in Hanau gelagert wird, zu zählen sei. Die Initiativgruppe Umweltschutz Hanau kam daher zu dem Ergebnis: "Alkem kann bis zu 5 Tonnen Plutonium im Bunker lagern und 1,7 Tonnen Plutonium im Produktionsbreich »verweilenVerwahrzwecke« Insgesamt gesehen befinden sich dann bis zu 11,7 Tonnen Plutonium in Lager und Produktion."»

Diese Menge ist jedoch "lediglich" die maximale Lagermenge im Bunker. Helmut Hirsch gibt für den 1.März 1988 folgenden im Hanauer Bunker gelagerte Plutoniummengen an: Demnach lagerten dort rund 2,5 Tonnen Plutonium, davon 2,2 Tonnen in staatlicher Verwahrung, der Rest in der formalen Verantwortlichkeit der Siemens-Alkem. Ausdrücklich fügt Hirsch hinzu: "Die Isotopenzusammensetzung dieser Menge ist streng geheim." (Restrisiko 2, Seite9) Außerdem nimmt auch er an: "Es ist aber mit Sicherheit anzunehmen, daß Teilmengen in diesem Lager auch höhere Anteile an Pu-239 aufweisen." (als der Anteil von ca. 65 Prozent beim Reaktorplutonium.)

In den USA werden Plutonium-Gemische folgendermaßen klassifiziert:

Bezeichnung/Kategorie Anteil Pu-240 Anteil Pu-239

Höchst-Rein supergrade 2-3 % über 97%

Waffen-Pu weapongrade bis 7 % über 93%

Brennstoff-Pu fuelgrade 7-19 % über 70%

Reaktor-Pu reactorgrade über 19 % ca. 60%

VAGABUNDIERENDES PLUTONIUM

Frühjahr 1985: das hessische Wirtschaftsministerium gibt bekannt, daß die Alkem für die Dauer von zwei Tagen ihre vorgeschriebene Höchstmenge von PU um 12 Kilogramm überschritten hat. Schlimmer als dieser Verstoß sei jedoch gewesen, daß das Unternehmen diesen Verstoß durch eine Manipulation der Bilanzierung nuklearer Materialien vertuschen wollte. Damit kam auch ans Tageslicht, daß das Überwachungssystem zu überlisten ist. Die Behörde ordnete eine weitere Untersuchung an. Ergebnis: "40 Kilogramm Plutonium, mit denen die RBU (Reaktor Brennelemente Union ist der uranverarbeitende Teil des heutigen Siemens Werks, zu dem die Alkem gehört) hantierte, fehlten in dem Sicherheitsbericht, den die Brennelement-Union in Wiesbaden eingereicht hatte. Einem Angestellten, der die Beamten darauf aufmerksam machte, ist zu verdanken, daß man der Beinahe-Unterschlagung überhaupt gewahr wurde." (Bemerkenswert ist auch, daß die RBU überhaupt mit PU hantieren durfte.) Die entsprechende Abteilung der RBU wurde daraufhin vorübergehend geschlossen.

Im Juni 1986 wird in einem RBU-Büroraum in Hanau ein abgestellter Staubsaugerbeutel mit eineinhalb Kilogramm Uran, anscheinend Produktionsausschuß, entdeckt. Vom Typ her, muß das Uran aus dem Nachbarwerk Karlstein stammen.

In einem Lager für leere Transportbehälter bei Hanau werden im Juni 1987 rein zufällig 25 Kilogramm niedrig angereicherter Urandioxid-Tabletten der RBU entdeckt. Auch diese Ladung soll aus Karlstein stammen; ca. zwei Jahre lang wird der Verlust nicht bemerkt.

aus: Reaktoren und Raketen

4. Die Verwendung von Plutonium:

Gegenüber der Herstellung normaler Uran-Brennelemente ist bei der MOX-Fertigung ein erheblich größerer sicherheitstechnischer Aufwand erforderlich. Wegen der radio-chemischen Eigenschaften des Plutoniums (starker Alpha-Strahler) muß die gesamte Verarbeitung in einem von der Umwelt völlig abgeschlossenen System erfolgen. Bei der Alkem werden dazu überwiegend sogenannte Handschuhkästen benutzt. Die jeweils zu verarbeitenden Materialien werden in diese Kästen eingeschleust und müssen hier mit Hilfe von Gummihandschuhen, die in den Kästen eingelassen sind, montiert und verarbeitet werden. Die Handschuhkästen befinden sich in einem speziellen Arbeitsraum, dem sogenannten Caisson. Dieser wiederum befindet sich in der Fertigungshalle. Alle drei notwendigen Sicherheitssysteme werden unter leichten Unterdruck gesetzt, um bei kleineren Leckagen zu verhindern, daß Plutoniumteile nach außen dringen können.

In der jüngeren Vergangenheit ist es im Siemens-Werk Hanau dennoch zu mehreren Unfällen gekommen:

Am 18. April 1991 wurde eine Dose mit Spaltstoff beschädigt. Dadurch kam es im Arbeitsraum zu einer Oberflächen- und Raumluftkontamination, bei zwei Personen besteht Inkorporationsverdacht, d.h. das sie radioaktive Partikel eingeatmet haben. Zur Beschädigung kam es beim Einbringen der Dose in einen sogenannten Birdcage (Vorrichtung zum innerbetrieblichen Transport). Dabei wurde die Umhüllung der Dose an einer scharfen Kante am oberen Behälterrand des Birdcages mechanisch so beschädigt, daß es zur Kontamination kommen konnte.

Am 17. Juni 1991 kam es zu einer Kontamination im Spaltstofflager. Bei vier Personen, die sich im Lagerraum aufhielten, wurden Nasenabstriche vorgenommen. Danach sei eine Inkorporation durch Inhalation bei drei Personen nicht auszuschließen. Die Kontamination erfolgte bei der Entnahme eines Behälters mit 3,3 Kilogramm Mischoxidpulver. Dabei war die übliche Kunststoffumhüllung des Behälters offenbar undicht.

Hessens Umweltminister Joschka Fischer (Grüne) ordnete darauf hin die Stillegung der Siemens-Alkem an. Da es offenbar Schwachstellen im Systemablauf der MOX-Fertigung gäbe, beauftragte Fischer das Öko-Institut Darmstadt mit einer entsprechenden Analyse. Außerdem beauftrage er den TÜV-Bayern mit der Unfallbetrachtung.

Nur einen Tag später kam es zu einem weiteren Zwischenfall. Eingedrungenes Regenwasser behinderte den Zu- und Ausgang über die Personenschleusen zum Kontrollbereich. Als Folge eines starken Wolkenbruches mit Hagelschlag war im Übergang zur Fertigungshalle 1 Wasser eingedrungen, das sich am Boden sammelte und möglicherweise radioaktiv verseucht belastet wurde. Durch Wasserabsauger, Putzeimer, Aufwischtücher und andere Hilfsmittel wurde das eingedrungene Wasser aufgenommen und in ein spezielles System für radioaktives Wasser gegeben. Nach Darstellungen der Siemens AG sei das Wasser aufgrund der noch nicht vollständig abgeschlossenen Dacharbeiten und einer verstopften Regenrinne aufgestaut worden und dann in den Kontrollbereich eingedrungen.

Nach diesem Vorfall kam es im Spaltstofflager der Siemens-Alkem immer wieder zu Aufblähungen von MOX-Behälter. Die genaue Ursache für diese Blähungen, bei der auch Radioaktivität aus den Behältern austritt ist bis heute unklar.

Bis heute liegt die Anlage der Siemens-Alkem still. Inzwischen hat die Alkem jedoch beim Verwaltungsgericht Kassel Klage auf Wiederinbetriebnahme erhoben und sich an Bundesumweltminister Töpfer gewandt. Der läßt die Reaktorsicherheitskommission prüfen. Ein Ergebnis lag bis zum Abschluß dieser Broschüre nicht vor.

Die Herstellung von MOX-Brennelementen kann bei Siemens-Alkem auf zwei Weisen erfolgen:

1. Vermischen von UO2 und PuO2-Pulver (OCOM-Verfahren, Optimiertes CO-Mahlverfahren)

- Im gewünschten Mischungsverhältnis (bei MOX für LWR bis zu 7% Plutonium) werden UO2 und PuO2 miteinander vermahlen und so homogenisiert. Die Mischung wird dann zu Tabletten (Pellets) verpresst. Durch anschließendes Sintern der Tabletten bei etwa 1600°C erhalten die Pellets die nötige Härte und eine theoretische Dichte von rund 94%. Die Pellets werden anschließend auf Maß geschliffen und dann in Hüllrohre gefüllt. Nach dem Verschweißen der Hüllrohre und einer Dichtigkeitsprüfung werden die fertigen Brennstäbe zum eigentlichen Brennelement zusammengebaut.

2. gemeinsames Ausfällen (Kopräzipitation) von Uran und Plutonium aus Nitratlösungen (AUPuC-Verfahren, Amonium-Uranyl-Plutonyl-Carbonat-Verfahren)

- Hier werden Uran und Plutonium im gewünschten Verhältnis aus der entsprechenden Nitratlösung durch Zugabe von Ammoniak und Kohlendioxid als Ammonium-Uranyl, Plutonyl-Carbonat-Mischkristall ausgefällt.

Die Mischkristalle werden dann in einer reduzierten Argon-Wasserstoff-Atomosphäre bei etwa 650°C zum Mischoxid zersetzt. Das so erhaltene Mischoxid wird ebenso wie nach der OCOM-Methode weiterverarbeitet.

(zu den beiden Verfahren sind Grafiken auf der Seite 69 bei KFA Jülich abgebildet.)

OCOM AUPUC

UO2- Pulver und PuO2-Pulver UO2(NO3)2 und PuO2(NO3)2

Co-Mahlen Einleiten von NH3 und CO2

Homogenisieren Ausfällen

Filtrieren

Kalzinnieren zum (U/Pu)O2-Pulver

Pressen

Sintern

Schleifen

MOX-Tabletten

Bereits frische MOX-Brennelemente aus der Siemens/Alkem-Produktion haben im Vergleich zu Uran-Brennstoff eine deutlich höhere Radiotoxizität. Beim abgebrannten MOX-Element ist auch die Menge an Aktiniden um einiges größer als beim Uran-Element. Diese ist vom Abbrand, von der Anfangsanreicherung etc. abhängig. Nach Angaben von Greenpeace steigert sich diese Menge im vergleich zu Uran-Brennelementen bei einem Abbrand von 33.000 MWd/t und einer Kühlzeit von drei Jahren um:

ca. das siebenfache beim Americium-241

ca. das 25fache beim Curium-244 und um

ca. das sechsfache beim Alpha-Plutonium.

Die Herstellung von MOX-Brennelementen ist für die bei Siemens-Alkem beschäftigten Mitarbeiter im Vergleich zur Uranverarbeitung mit einer höheren Strahlendosis verbunden. Wesentlich verantwortlich dafür ist das Americium-241. Es entsteht durch den Beta-Zerfall des Plutonium Isotops 241 (Halbwertzeit 14 Jahre). Americium hat eine Halbwertzeit von rund 450 Jahren und wandelt sich unter Aussendung von Alphateilchen in das langlebige Neptunium-237 um.

Gleichzeitig entsteht dabei die durchdringende Gammastrahlung, die für die Strahlenbelastung der Mitarbeiter verantwortlich ist. Selbst zusätzliche Strahlenschutzmaßnahmen sind nicht in der Lage, diese Gammastrahlung vollständig abzuschirmen.

Je länger das Plutonium aus der Wiederaufarbeitung zwischengelagert wird, desto stärker ist der Anteil an Americium-241. Dadurch wird die Verarbeitung des Plutoniums schwieriger und auch gefährlicher. Nach Angaben von Greenpeace sind für die Herstellung von MOX-Elementen Grenzwerte für Americium-241 in Höhe von 10.000 bis 15.000 ppm festgelegt worden. Diese Werte entsprechen einer Plutoniumlagerungszeit von etwa zwei bis drei Jahren. In ihrem Antragsschreiben an die schleswig holsteinische Landesregierung schreibt die "Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH", also die HEW, daß "schon nach 3-4 Jahren Lagerung des Plutoniums eine Strahlenbelastung erzeugt wird, die ein Verarbeiten unmöglich macht."

Doch nicht nur die Herstellung von MOX nach einer Lagerzeit von ca. vier Jahren wird unmöglich. Auch die Lagerung wird aufgrund der zunehmenden Gamma-Aktivität durch das Americium immer aufwendiger - und natürlich kostspieliger.

Anders sieht die Haltbarkeit des Plutoniums aus, wenn dies zu frischen MOX-Brennelementen verarbeitet wurde. Dann ist das wiederaufgearbeitete Plutonium 10 bis 13 Jahre lagerbar. Nach Angaben des belgischen Herstellers Belgonucléaire können neuere MOX-Elementen sogar bis zu 20 Jahren aufbewahrt werden.

5. WARUM MISCHOXID-BRENNELEMENTE:

Energiewirtschaftlich, so sagen selbst die HEW, ist der Einsatz von Plutonium in Brennelementen eigentlich unsinnig. In dieser Einschätzung ist sich der Strommonopolist mit den AtomkritikerInnen also einig. Denn weltweit gibt es auf absehbare Zeit keinerlei Probleme, die Atomreaktoren mit ausreichenden Uranmengen zu versorgen. Zu Beginn der 70iger Jahre gab es auf Seiten der Atomindustrie noch die Vorstellung, daß angesichts gigantischer AKW-Ausbaupläne die Uranreserven sich schnell verbrauchen würden. Zahlreiche Institute prognostizierten einen Kraftwerkszubau, demzufolge im Jahr 1985 die Erzeugung von Atomstrom in der westlichen Welt bei 580 Gigawatt (GWe) und für das Jahr 2000 schon bei 2650 GWe liegen sollte.

Diese Prognosen und Hoffnungen haben sich bis heute als völlig unrealistisch erwiesen. Tatsächlich liegt die installierte Kraftwerksleistung heute bei rund 280 GWe und ist damit rund sieben- bis achtmal niedrieger als gedacht.

Anfang der 70iger Jahre wurde damit gerechnet, daß 1985 rund 635.000 Tonnen und im Jahr 2000 bereits 2,7 Millionen Tonnen Uran jährlich gebraucht würden. Damals existierten bekannte Uranreserven von 1,3 Millionen Tonnen bei Produktionskosten von 80 US-Dollar pro Kilogramm. Die nächst höhere Kostenklasse lag bei rund 130 US-Dollar je Kilogramm. Für diesen Preis gab es bekannte Reserven von etwa 3,1 Millionen Tonnen. Daher schienen die Uranreserven über das Jahr 2000 hinaus nicht ausreichend, so daß verstärkt nach Lagerstätten gesucht wurde. Dies hat dazu geführt, daß beim gegenwärtigen Stand des Atomenergieausbau etwa genauso viele Uranreserven bekannt sind, wie zu Anfang der 70iger Jahre. Diese reichen aus Sicht der Atomwirtschaft für die nächsten 70 Jahre und liegen in etwa bei den Preisen der 70er Jahre, also zwischen 80 und 130 Dollar pro Kilo. Berücksichtigt man, daß der Dollar inzwischen nur noch knapp die Hälfte dessen Wert ist, was er in den 70ern kostete, so ist zu erkennen, daß sich die Uranpreise deutlich verringert haben.

Nur wurden in der Zwischenzeit bereits Weichen gestellt. So sollte mit den Planungen für den Schnellen Brüter in Kalkar ein Zeitalter der unbegrenzten Energieverfügbarkeit eingeläutet werden. Das Zauberwort für diese radioaktive Vision hieß: Plutonium.

Um an das Plutonium heranzukommen wurde die Wiederaufarbeitung der abgebrannten Uranbrennelemente mit Vorrang ins Atomgesetz geschrieben und dies als "schadlose Verwertung von Reststoffen" bezeichnet. Auf diese Weise wurde Plutonium im Tonnenmaßstab produziert. Als sich dann jedoch erhebliche sicherheitstechnische und politische Schwierigkeiten bei der Realisierung des Kalkar-Projektes abzeichneten, begannen die Atomindustrie und die damalige SPD/FDP-Bundesregierung nach neuen Wegen der Plutoniumverwendung zu suchen. Mit der Verwendung des Plutoniums in den sogenannten Mischoxid-Brennelementen war die Lösung schnell herbeigeführt.

"Angesichts der sich abzeichnenden Verzögerungen bei der Brütereinführung beschlossen die EVU schon 1980, im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der damaligen Alkem und dem Bundesministerium für Forschung und Technolgie (BMFT), die Voraussetzungen für eine ausreichende und termingerechte Fertigungskapazität für thermischen MOX-Brennstoff sowie für entsprechende Einsatzmöglichkeiten in ihren Leistungsreaktoren zu schaffen." (Dibbert, S.85)

Politisch ist der MOX-Einsatz von höchster Brisanz. Ohne jede Möglichkeit einer gesicherten Entsorgung, d.h. ohne daß heute, rund 25 Jahre nach dem bundesdeutschen Eintritt ins kommerzielle Atomzeitalter, auch nur halbwegs realistische Endlagermodelle existieren, steht die Atomwirtschaft am Rande des Abgrundes. Denn würde das wiederaufgearbeitete Plutonium nicht erneut in Form von MOX in die Atomreaktoren gesteckt werden - was energiewirtschaftlich keinen Sinn macht - so wäre auch der Schritt der Wiederaufarbeitung hinfällig. Da aber die Wiederaufarbeitung als "sogenannter Entsorgungsvorsorge-Nachweis" anerkannt ist, würde der Wegfall dieses "Entsorgungsweges" einem Fiasko für die Atomwirtschaft gleichkommen.

AKW-Betreiber bringen zur Rechtfertigung des MOX-Einsatzes auch gern das Argument, daß dadurch das Plutonium vernichtet werde und daher nicht mehr endgelagert werden müßte. Das ist schlicht falsch. Lediglich ein Teil der spaltbaren Plutoniumistope (239 und 241) wird in Spaltprodukte umgewandelt. Allerdings enthält ein MOX-Brennelement nach dem Abbrand eine deutlich größere Plutoniummenge als ein herkömmliches Uran-Brennelement. Darüberhinaus ist der Anteil von Americium und Curium beim Abbrand von MOX-Brennelementen wesentlich größer als beim Uran.

Die Veränderung der Plutoniumanteile bei einem Uran-Brennelement mit einer 3,2 prozentigen Anreicherung von Uran-235:

PU Erster Abbrand 1. Wiederaufarbeitung 2. WAA 3. WAA

Pu-238 1,7% 2,0% 2,3% 2,5%

Pu-239 56,0% 48,0% 43,9% 41,7%

Pu-240 23,6% 28,6% 29,6% 29,8%

Pu-241 12,3% 12,9% 13,6% 13,8%

Pu-242 6,3% 8,7% 10,7% 12,3%

PU-Menge[g/kg] 8,85 13,33 16,19 17,51

"Je nach Anteil der MOX-Elemente in den verschiedenen Phasen des Betriebs, der Zwischenlagerung und der Wiederaufarbeitung ergibt sich ein sehr verschiedenes Gefahrenspektrum bei einer Freisetzung des Inventars." Nach jeder Wiederaufarbeitung von MOX-Brennelementen steigt auch die Gefährdung: "Bei der thermischen Rezyklierung ist z.B. nach 3 Zyklen die Gesundheitsgefahr durch Pu-Isotope um ca. Faktor 3-4, die durch Isotope des Americiums und Curiums sogar um ca. Faktor 4-16 gewachsen, sodaß letztere wesentlich bedeutsamer werden als Pu." (Kuni: Die Gefahr von Strahlenschäden durch Plutonium, S.11)

8. DIE VERWENDUNG VON MOX IN DER BRD:

Die Verwendung von Plutonium-Brennelementen ist derzeit für zehn der insgesamt 21 kommerziell genutzten AKWs genehmigt.

Dazu gehört auch das AKW Brokdorf, das die Genehmigung für den MOX-Einsatz mit der zweiten Teilbetriebsgenehmigung bei seiner Inbetriebnahme im Jahr 1986 durch die damalige CDU-Regierung erhielt. Pro Jahr dürfen in Brokdorf 16 MOX-Brennelemente in den Reaktor gestellt werden. Insgesamt dürfen gleichzeitig 64 dieser Brennelemente eingesetzt werden. Das entspricht einem Anteil von 33 Prozent an der Gesamtlademenge des Reaktors. Bei einem Schwermetallgewicht von 528 Kilogramm pro Brennelement beträgt der Plutoniumanteil 15,70 Kilogramm. Beim Einsatz von insgesamt 64 Elementen kommt dann die stattliche Menge von 1004,8 Kilogramm Plutonium zusammen, also etwas über eine Tonne.

Nach der Regierungsübernahme durch die schleswig holsteinische SPD kam es zwischen der PreußenElektra und der neuen Landesregierung zu einer Auseinandersetzung um die MOX-Brennelemente. Das Energieministerium hatte PreußenElektra aufgefordert, den für 1989 erstmals geplanten MOX-Einsatz zu unterlassen. Zur Begründung hatte Jansen unter anderem angeführt, daß der MOX-Einsatz unzulässig wäre, weil das verwendete Plutonium nicht aus Brokdorf, sondern aus den AKWs Stade (und Unterweser) stamme und daher nicht dem Identitätsprinzip entspreche. Nach Auffassung der Landesregierung wäre der Einsatz von MOX in Brokdorf erstmals 1997 möglich gewesen. Ende 1988 erhob die PreußenElektra daraufhin beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg Feststellungsklage. Das Unternehmen vertrat die Auffassung, daß die in der zweiten Teilbetriebsgenehmigung enthaltene Erlaubnis zum MOX-Einsatz berechtige, ohne daß das dafür nötige Plutonium zwangsläufig auch aus Brokdorf stammen müßte. Eine Auffassung, der sich auch das OVG anschloß und dem AKW-Betreiber Recht gab. Prozeßbeobachter bezeichneten damals die gerichtliche Niederlage der Landesregierung als eine "politische und juristische Blamage". Hinzu kam, daß die Landesregierung nicht grundsätzlich die Risiken des MOX-Einsatzes zum Klagegegenstand machte, sondern lediglich über die Teilbetriebsgenehmigung stritt. Seitdem werden in Brokdorf beim jährlichen Brennelementewechsel MOX-Stäbe in den Reaktor eingesetzt.

Für acht weitere Anlagen, darunter auch die beiden Atomkraftwerke in Brunsbüttel und Krümmel laufen derzeit die Genehmigungsverfahren. Nach den ehemaligen Planungen der HEW war der erste Einsatz von MOX-BE im AKW Brunsbüttel bereits für das Jahr 1990 geplant. Das entsprechende Verfahren läuft bereits seit Juni 1986. Daraus ist - wie bekannt - bis heute jedoch nichts geworden.

In Brunsbüttel sollen künftig nach dem Willen der HEW pro Jahr 32 MOX-Elemente eingesetzt werden. Die Gesamtmenge soll sich auf 136 Elemente belaufen, was einem Anteil von 25 Prozent entsprechen würde. Das Schwermetallgewicht eines Brunsbüttel-Brennelements beträgt 173 Kilogramm, fünf Kilogramm beträgt der Plutoniumanteil. Bei maximaler Beladung des Reaktors mit MOX-Brennelementen werden dann also insgesamt 680 Kilogramm Plutonium zum Einsatz kommen.

Für das AKW Krümmel ist der MOX-Einsatz kaum vor Ende 1992 absehbar. Dies würde den Planungen der HEW entsprechen. Dann sollen jährlich maximal 40 BE eingesetzt werden bis zu einer Gesamtlademenge von 212 MOX-Elementen bzw. 25 Prozent aller Brennelemente. Bei ebenfalls fünf Kilogramm Plutonium pro 173 Kilogramm Schwermetall je Brennelement beträgt die gesamte Plutoniummenge dann 1060 Kilogramm, also ähnlich der Menge im AKW Brokdorf.

Ausgenommen vom MOX-Einsatz in Norddeutschland ist das AKW Stade (ebenso die AKWs Würgassen und Philipsburg I). Offenbar sind auch die Stade-Betreiber, die PreußenElektra, der Auffassung, daß dieser Schrottreaktor den notwendigen höheren Sicherheitsanforderungen beim MOX-Einsatz nicht mehr gewachsen ist.

Der Einsatz von MOX in bundesdeutschen Reaktoren, Genehmigungsstand:

Anlagen mit Genehmigung: Obrigheim

Neckarwestheim 1 und 2

Unterweser

Grafenrheinfeld Grohnde

Brokdorf

Philippsburg 2

Emsland/ Lingen

Isar 2 (Ohu)

Genehmigt bzw. in Vor-

bereitung Biblis A und B

Mülheim-Kärlich

Brunsbüttel

Krümmel

Isar 1 (Ohu)

Grundremmingen B und C

MOX nicht vorgesehen Stade

Würgasen

Philipsburg 1

9. MOX IM ATOMREAKTOR

Bisher gibt es in der Bundesrepublik noch für keinen einzigen Siedewasserreaktor eine Genehmigung zum MOX-Einsatz. Die bisher vorliegenden Genehmigungen sind allesamt ausschließlich für Druckwasserreaktoren (DWR) erteilt. Dies scheint kein Zufall zu sein, sondern hat damit zu tun, daß die Konstruktion der Siedewasserreaktoren sich zum Teil erheblich von den DWR-Reaktoren unterscheidet und andere Risiken zu folge hat.

Ein wesentlicher Aspekt scheint zu sein, daß die SWR-Brennelemente jeweils unterschiedlich angereichert sind. D.h. der Anteil des spaltbaren Uran-235 ist innerhalb eines Reaktorkerns pro Brennelement unterschiedlich. Dies macht den Einsatz von MOX-Brennelementen komplizierter als bei den Druckwasserreaktoren. Offenbar aus diesem Grund haben die Energieversorgungsunternehmen zunächst die DWR-Reaktoren mit MOX bestückt, um zusätzliche Erfahrungen für den Einsatz in Siedewassereaktoren zu sammeln.

Die SWRs verfügen im Gegensatz zu den Druckwasserreaktoren nur über einen Kühlkreislauf. Da die MOX-Elemente im Vergleich zu üblichen Uranbrennelementen eine intensivere Neutronenstrahlung haben, wird der Reaktor immer mehr an die kritische Auslegungsgrenze "gefahren" und kann bei Störfällen schneller außer Kontrolle geraten.

Insgesamt wird, so Helmut Hirsch von der Gruppe Ökologie, die Regelung des Reaktors durch den MOX-Brennstoff schwieriger. So wird die Wirksamkeit der Steuerstäbe leicht verringert und im kalten Zustand sind höhere Borsäurekonzentrationen im Kühlwasser erforderlich, um den Reaktor unterkritisch halten zu können. Auch bei der Lagerung von abgebrannten MOX-Brennelementen müssen stärkere Neutronenabsorber eingesetzt werden. Darüber hinaus ist die Wärmeleitfähigkeit des MOX-Brennstoffs schlechter als die der Uran-Brennelemente. Daher sind zusätzliche Maßnahmen zur Vermeidung größerer örtlicher Temperaturerhöhungen im Reaktorkern erforderlich.

Da das Inventar des Reaktors an langlebigen Alpha-Strahlern durch den MOX-Einsatz höher wird (z.B. enthält ein abgebranntes MOX-Element etwa viermal soviel Plutonium und Americium wie ein Uran-Element), sind die Auswirkungen von katastrophalen Unfällen noch um einiges größer.

Der Verein Eltern für unbelastete Nahrung, die Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW) sowie Robin Wood haben im Rahmen der Einwendungen gegen MOX in Brunsbüttel argumentiert, daß bei einem Siedewasser-Reaktor wie Brunsbüttel der gesamte Kühlmittelkreislauf bis hin zur Turbine mit Plutoniumisotopen verseucht wird. Durch das MOX als Brennstoff, so die Umweltgruppen, entstehen außerdem etwa 10mal mehr langlebige radioaktive Uranfolge-Isotope (Trans-Urane) als bei den herkömmlichen Uran-Brennelementen.

6. DAS ULTRAGIFT PLUTONIUM:

Plutonium gehört zu den giftigsten Stoffen, die wir auf der Erde kennen. Im Gegensatz zu anderen Schwermetallen wie beispielsweise Uran spielt die chemische Giftigkeit eine untergeordnete Rolle. Bedeutsam sind die radiologischen Gefahren des Plutoniums, d.h. die durch Plutonium hervorgerufene Strahlenschädigung ist ungleich größer als beispielsweise beim Uran.

Entscheidend sind dafür drei Faktoren:

- eine extrem lange physikalische Halbwertzeit,

- die große Wirksamkeit der Strahlung und

- die lange Verweilzeit in strahlenempfindlichen Organen.

Von den vier Plutoniumisotopen 238-241 weist das PU-239 mit rund 24.000 Jahren die längste Halbwertzeit auf. Nach menschlichen Vorstellungen ein nahezu unendlicher Zeitraum. Dabei bedeutet Halbwertzeit nur, daß in diesem Zeitraum die Strahlung jeweils um die Hälfte abnimmt. Allein für das Problem der Endlagerung plutoniumhaltigen Atommülls stellen sich angesichts derartiger Zeiträume nach menschlichem Ermessen unlösbare Aufgaben.

Die Plutoniumisotope 238-240 sind Alpha-Strahler. Das Isotop 241 wird erst über den Umweg zu Americium-241 zum Alpha-Strahler. Diese Strahlungsart hat im Gewebe eine sehr kurze Reichweite (Millimeterbruchteile), gehört aber zu den Strahlenarten mit der größten biologischen Wirksamkeit. Im Vergleich zur Gamma- oder Röntgenstrahlung gleicher Energieübertragung ruft diese Strahlung erheblich stärkere Schäden hervor. Mit dem Begriff "Qualitätsfaktoren" werden die einzelnen Strahlenarten unterschieden. Damit läßt sich die Äquivalenzdosis ermitteln, d.h., die biologische Wirksamkeit gemessen in Rem oder Sievert. Während bei der Gammastrahlung ein Qualitätsfaktor von 1 unterstellt wird, ist der betreffende Wert für Alpha-Strahlung zunächst auf den Faktor 10 festgesetzt worden. Seit 1977 ist dieser Wert auf 20 erhöht worden. Diese Aufwertung macht deutlich, daß die Gefahren durch Plutonium erheblich unterschätzt wurden und vermutlich auch weiter unterschätzt werden. So hat die International Commission in Radiation Units and Measurements (ICRU) 1986 empfohlen, diesen Faktor erneut, auf nun 25, anzuheben.

Unter Strahlenschützern läuft seit einigen Jahren ein heftiger Streit über die Wirkung von Gamma-Strahlen, das sind locker ionisierende Strahlen. Forschungen über Strahlenkrebs bei den Überlebenden der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki haben gezeigt, daß niedrige Strahlendosen gefährlicher sind als bisher vermutet wurde. Damit ist erneut deutlich geworden, daß es keinen Schwellenwert gibt, ab dem Radioaktivität gefährlich ist. Bereits jede noch so kleine Strahlung kann in einer gesunden Körperzelle Krebs auslösen. Dabei kann auch niedrige Strahlung in Ei- und Sammenzellen genetische Erbgutveränderungen auslösen, die sich auf die Nachkommen auswirken.

Berücksichtigt man den erheblich höher gewichten biologischen Wirkungsfaktor von Alpha-Strahlern, so ist klar, daß die gesundheitlichen Folgen beim Plutonium um ein vielfaches schlimmer sind.

Gelangt Plutonium auf dem Weg des Einatmens oder über die Nahrungskette in den menschlichen Körper, so wird dieses zum Teil ein ganzens Leben lang dort eingespeichert. Beim Einatmen lagert sich das Plutonium zunächst in der Lungeab und gelangt später auch in der Leber und den Knochen ab. Hier reichert es sich an, so daß hohe Strahlenbelastungen auftreten können. Gleichzeitig sind diese Organe besonders strahlenempfindlich. So konnte durch Tierversuche und Erfahrungen mit dem Alpha-Strahler Radium festgestellt werden, daß Knochenschädigungen infolge der Einlagerung auftreten. Dabei kann es nicht nur zu Knochenkrebs, sondern durch die Bestrahlung des blutbildenden roten Knochenmarks auch zu Blutkrebs kommen. Untersuchungen in Gebieten, wo höhere Radiumkonzentrationen im Grund- und Trinkwasser zu finden waren, zeigen deutlich erhöhte Leukämieraten in der Bevölkerung. Gelangt Plutonium durch die Nahrungsaufnahme in den Körper, lagert es sich überwiegend in den Knochen und zum kleineren Teil in den Keimdrüsen ab.

Horst Kuni, Nuklearmediziner an der Uni Marburg hat in einem Gutachten die offiziellen Rechenmodelle und Festlegungen von Grenzwerten für den Umgang mit Plutonium heftig kritisiert. Den verwendeten Qualitätsfaktor bezeichnet Kuni als eine "politische Entscheidung", die nichts mit dem heutigen Erkenntnisstand zu tun hätte. Nach Kunis Angaben hätten zahlreiche Forschungsergebnisse für Alphastrahlen, wie sie Plutonium aussendet, sowie für Neutronenstrahlen, wie sie beim Umgang mit MOX-Brennelementen besonders zu beachten sind, eine relative biologische Wirksamkeit ergeben, die je nach Dosis um Größenordnungen den in der Strahlenschutzverordnung festgelegten Qualitätsfaktor übersteigt, mit dem die physikalische Dosis in die Äquiuvalentdosis umzurechnen ist. "Auch wenn die Emmissionen von Anlagen des Plutonium-Zweiges innerhalb der Grenzwerte bleiben, ist nach heutiger Erkenntnis nicht nur mit Gesundheitsgefahren, sondern mit Gesundheitsschäden, zum wesentlichen Teil mit Todesfolge zu rechnen." Daher sind die in der Bundesrepublik gültigen Grenzwerte für die Bevölkerung als auch für die beruflich mit Plutonium umgehenden Beschäftigten erheblich zu hoch.

Kuni vertritt die Auffassung, daß der zulässige Grenzwert für die Bevölkerung etwa "um den Faktor zehn reduziert werden" müsse. Für die beruflich Exponierten müßte die Senkung der Grenzwerte noch weitaus größer sein. In der Konsequenz kommt er zu dem Ergebnis: "Nach einer Senkung der Grenzwerte, wie sie an sich überfällig ist, ist ein beruflicher Umgang mit Plutonium nach den derzeitigen Maßstäben der Arbeitssicherheit nicht mehr möglich."

Diese Gutachten von Kuni ist Grundlage einer Verfassungklage der SPD aus dem Jahr 1988, die das Ziel hat, den Umgang mit Plutonium als verfassungwidrig zu verbieten. Die Nutzung von Plutonium, die im Rahmen des Atomgesetzes zulässig ist, verstößt aus Sicht der SPD gegen die Verfassung. Der Staat ist nach Artikel 2. Abs. 2 des Grundgesetzes dazu verpflichtet, die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu schützen. Angesichts der Gefährlichkeit von Plutonium ist ein solcher Schutz beim Umgang mit diesem Stoff jedoch nicht möglich.

LEUKÄMIE IN KRÜMMEL

Sechs Kinder im Alter bis zu zehn Jahren sind im Raum der niedersächischen Gemeinde Tespe in den letzten eineinhalb Jahren an Leukämie erkrankt. Eins ist inzwischen gestorben. Bemerkenswert ist dies, weil im Raum Tespe insgesamt nur etwa 400 Kinder unter zehn Jahren leben. Im bundesdeutschen Mittel erkrankt jedoch normalerweise nur eins von 22.000 Kindern an Leukämie. Die Leukämie-Häufung im Raum Tespe liegt damit um mehr als das 70 fache höher als im übrigen Bundesgebiet. Weltweit, so stellen Tesper Einwohner mit Verbitterung fest, eine einzigartige Häufung dieser recht seltenen Krankheit. Nicht einmal in der Umgebung der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield wurde eine derartige Häufung von Leukämie festgestellt. Leukämie kann verschiedene Ursachen haben und zum Beispiel durch Benzol und radioaktive Strahlung hervorgerufen werden. Möglicher Auslöser könnte nach Meinung vieler Eltern und Einwohner vor allem das 1983 ans Netz gegangene AKW Krümmel und beiden die seit Anfang der sechziger Jahre in betrieb befindlichen atomaren Forschungsreaktoren der "Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffahrt und Schiffbau" (GKSS) sein. Beide Atomanlagen stehen direkt gegenüber von Tespe auf der schleswig holsteinischen Elbseite.

Unbegründet sind diese Sorgen sicherlich nicht. Denn im letzten Jahr hat beispielsweise ein britisches Gutachten erneut die Gefahren von radioaktiver Niedrigstrahlung belegt. In der Umgebung der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield hatten Forscher ebenfalls eine erhöhte Leukämierate bei Kindern festgestellt. Nach langwierigen Untersuchungen stellte sich heraus, daß die Erbanlagen der Väter, die fast ausschließlich in der WAA gearbeitet hatten, durch die Niedrigstrahlung geschädigt wurden. Diese hatte später bei den Kindern den Blutkrebs ausgelöst. Doch auch andere Forschungen haben in den vergangenen Jahren belegt, daß die Gefahren von Niedrigstrahlung bisher unterschätzt worden sind. Das Ökoinstitut Darmstadt vertritt inzwischen die Auffassung, daß die Radioaktivität bis zu zehn Mal gefährlicher ist, als zur Zeit der Festlegung von Strahlengrenzwerten angenommen worden war. Vor allem hat sich gezeigt, daß eine lang andauernde niedrige Strahlung schlimmere Folgen haben kann, als kurzzeitig größere Strahlendosen.

Eine unter der Leitung der Bezirksregierung Lüneburg eingerichtete Expertenkommission hat zwar ein recht umfangreiches 16-Punkte-Programm in Angriff genommen, um den Ursachen auf die Spur zu kommen. Doch bisher ohne Erfolg. Der Verdacht, daß an der Elbe-Staustufe Geesthacht Aerosole aufgewirbelt und vom Wind Richtung Tespe geweht werden könnten, hat sich als nicht relevant erwiesen. Ob eventuell elektromagnetiche Felder von Hochspanungsleitungen oder aber Emmissionen von Geesthachter Chemie-Betrieben als Auslöser in Frage kommen, ist bisher noch ungeklärt. Als die Kommission vor kurzem die bisherigen Untersuchungsberichte vorstellte, hörte sich das wie ein Gruselroman an: Dioxine und PCB in der Muttermilch, Schwermetalle im Viehfutter, Pflanzenschutzmittel in Trinkwasserbrunnen, eine noch unbekannte Substanz in einem Teil der Trinkwasserversorgung, Tritium-Freisetzungen aus dem AKW Krümmel, erhöhte Jod-Abgaben aus der Atomforschungsanlage der GKSS und und und. Aber: all das kann nach Auffassung der Experten nicht die Ursache sein. Die Werte seien im Durchschnitt normal und meist weit unter den zulässigen Grenzwerten.

Die Strahlenexpertin und Mitglied der Expertenkommission Prof. Inge Schmitz-Feuerhake von der Uni Bremen vermutet, das der Atomreaktor verantwortlich ist: "Auffällig ist, daß die Leukämiefälle drei bis fünf Jahre nach der Inbetriebnahme von Krümmel schlagartig angestiegen sind." Dieser zeitliche Zusammenhang, so Schmitz-Feuerhake, ist nicht zufällig.

Die Bürgerinitiative verlangt nun die sofortige Stillegung des AKW Krümmels. Weil bisher unklar sei, was die Ursache der Leukämie ist, und weil ebenso klar ist, daß vor allem Radioaktivität als Leukämieerreger gilt, muß Krümmel abgeschaltet werden, um sicher zu gehen, daß nicht eine weitere Verstrahlung erfolgt, so die Initiative. In wenigen Wochen unterschrieben schon 3000 Menschen eine entsprechende Unterschriftenliste. Eine Foderung, die der Koordinator von der Bezirksregierung Lüneburg, Dr. Sowislo, zwar für verständlich, aber für nicht angemessen hält. Erste Untersuchungen der Umgebungsradioaktivität wären ohne Ergebnisse geblieben, daher könne man Krümmel nicht einfach abschalten. Und außerdem könne darüber nur die Landesregierung in Schleswig Holstein entscheiden. Die hat aber in einer ersten, vorläufigen Stellungnahmen erklärt, daß es keine Anzeichen für eine über den erlaubten Grenzwerten liegende Radioaktivitätsfreisetzung durch das AKW gäbe.

Weil lange Zeit über die Arbeit der Expertenkommission nichts zu erfahren war, hat der Tesper Arzt Dr. Forkel bei seinem Kasseler Kollegen Matthias Demuth eine Expertise über die Leukämie-Erkrankungen in Auftrag gegeben. Demuth, der vor Jahren in der Nähe des Atomkraftwerks Würgassen eine erhöhte Kinder-Leukämie nachweisen konnte, legte seinen Bericht im Juni vor: "Solange nicht das Gegenteil bewiesen wurde, wird man in Erwägung ziehen müssen, daß diese Erkrankungen am ehesten durch radioaktive Emissionen des Kernkraftwerkes hervorgerufen wurden."

7. Hamburg und MOX: Diskussionsstand in der Umweltbehörde

Im Jahr 1985 machte der damals allein sozialdemokratische Senat in Hamburg seine Position zu MOX-Brennelementen deutlich:

Die Wiederaufarbeitung als Voraussetzung für die MOX-Herstellung hält der Senat für "energiepolitisch nicht notwendig, da der kommerziell-großtechnische Einsatz von Schnellen Brutreaktoren in ernergiepolitisch absehbaren Planungszeiträumen weder realisierbar noch finanzierbar ist." Außerdem sei die WAA "entsorgungstechnisch verzichtbar", weil die direkte Endlagerung als Möglichkeit genutzt werden könnte. Darüber hinaus hatte der Senat sicherheitstechnische Bedenken, weil sicherheitstechnische Anforderungen erheblich größer und außerdem die radioaktiven Ableitungen erhöht sind. Zusätzlich hält der Senat die WAA "wirtschaftlich nicht (für) vertretbar, da die Versorgungssicherheit von Leichtwasserreaktoren unabhängig vom Einsatz von MOX-Brennelementen ist und herkömmliche Urandioxidbrennelemente im übrigen geringere Brennstoff- und Enstorgungskosten haben". (vgl. Bürgerschaftsdrucksache 11/4487)

All dies scheint bisher den Hamburger Senat jedoch nicht dazu zu bringen, gegen dem MOX-Einsatz in Krümmel und Brunsbüttel anzugehen. In einer neueren Anfrage stellt der Senat fest, daß der Einsatz von MOX im AKW "nur geringfügige sicherheitstechnische Unterschiede im Vergleich zu Uran-Brennelementen" mit sich bringt. (vgl. Drucksache 14/74) Außerdem sieht der SPD-Senat "weder rechtliche Möglichkeiten noch ausreichende technische Argumente für eine Verhinderung des Einsatzes von MOX-Brennelementen" in Krümmel und Brunsbüttel.

In einer Ende letzten Jahres verfaßten Stellungnahme des zuständigen Fachamtes vertritt die Umweltbehörde die Auffassung, daß die Grundlagen für das Gebot der Wiederverwertung (Atomgesetz) und für das "integrierte Entsorgungskonzept" der Bundesregierung "inzwischen praktisch sämtlich entfallen" sind.

Für den scheinbaren Vorteil der WAA wird, so heißt es in dem Papier aus der Umweltbehörde, "die größte Quelle radioaktiver Emissionen und das höchste Risiko der radioaktiven Kontamination (von Unfällen und militärischem Einsatz abgesehen) in Kauf genommen. Selbst unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ergeben sich keine Vorteile - im Gegenteil sind MOX-Brennelemente (einschließlich der Wiederaufarbeitungskosten) rund die Hälfte teurer als Uran-Brennelemente."

Daß die Bundesregierung und die Kraftwerksbetreiber auf diese Art des "Brennstoffkreislauf" bestehen, ist "rational kaum nachvollziehbar." Die Umweltbehörde hält es für wahrscheinlich, daß vor allem die Furcht, "daß jede Veränderung des status-quo die Konstruktion des Entsorgungsnachweises (den Kernkraftwerksbetreiber führen müssen) zum Einsturz bring und bei gerichtlichen Überprüfungen möglicherweise zu Stillegungen von Kernkraftwerken führt." Die alten Entsorgunsgrundsätze sind inzwischen überholt. Zwar ist ein Staatssekretärsausschuß mit der Fortschreibung der Entsorgungsgrundsätze beauftragt, aber in der "eigentlichen Entsorgungsfrage - der Endlagerung - herrscht weiterhin Stillstand."

Schleswig-Holstein, so die Hamburger Umweltbehörde, hält hingegen die WAA auch nach dem Atomgesetz nicht für zwingend. Nach §9 AtG ist die "geordnete Beseitigung" der radioaktiven Abfälle vorgeschrieben, für den Fall, daß die "schadlose Verwertung"

- nach Stand von Wissenschaft nicht möglich,

- wirtschaftlich nicht vertretbar oder

- mit den Schutzzwecken des Atomgesetzes (§§ 1 Nr.2 und 4) nicht vereinbar ist.

In Sachen wirtschaftlicher Vertretbarkeit muß der Kraftwerksbetreiber entscheiden, ob er einen entsprechenden Antrag vorlegt, der von der Aufsichtbehörde zu genehmigen wäre. Beim WAA-URAN wird dies bereits grundsätzlich anerkannt. Da eine geordnete Beseitigung nur in einer "Zwischenlagerung der abgebrannten Brennelemente bestehen könne, solange kein Endlager zur Verfügung steht, müsse der Kraftwerksbetreiber einen Antrag auf Zwischenlagerung stellen, der genehmigunsfähig sei."

Schlußfolgerungen der Umweltbehörde:

Ohne Berücksichtigung sicherheitstechnischer Probleme der Herstellung, des Transports und des Einsatzes von MOX, kommt die Behörde zu folgenden (möglichen) Schlußfolgerungen:

WAA sollte zugunsten der direkten Endlagerung aufgegeben werden. Für die fünf Tonnen gelagerten Plutoniums kämen zwei Möglichkeiten in Betracht:

1. Zu MOX verarbeiten und im Reaktor einsetzen. Dies würde den Weiterbetrieb der bereits existierenden Plutoniumwirtschaft um einige Jahre bedeuten.

2. Aus Gründen der Sicherheitsvorsorge könnte die weitere Plutoniumverarbeitung eingestellt und das PU wie die anderen hochradioaktiven Abfälle aus der WAA verglast und direkt endgelagert werden.

"Die Frage, ob eine Zwischenlagerung ohne zeitlich absehbare Endlagermöglichkeit bei einer gerichtlichen Überprüfung als Entsorgungsnachweis akzeptiert würde, ist von der Frage der Wiederaufarbeitung unabhängig. Ihre Klärung kann auch bei Aufrechterhaltung der Fiktionen der gegenwärtigen Entsorgungsgrundsätze zeitlich höchstens verzögert, nicht aber verhindert werden."

10. DIE ENTSORGUNG: Nichts neues im Westen

Seit dem Aus für die in Wackersdorf geplante Wiederaufarbeitungsanlage ist das sogenannte "integrierte Entsorgungskonzept" der Bundesregierung nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem es geschrieben steht. Zwingender Bestandteil dieses Konzeptes war ein geschlossener Brennstoff"kreislauf" innerhalb der Bundesrepublik, also inklusive WAA. Doch trotz des nun auch aus der Betreiberperspektive gescheiterten Entsorgungsmodells wurde kein Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, sondern vielmehr der Einstieg in eine neue, auf europäischer Ebene organisierten Atompolitik. Im Frühjahr 1990 akzeptierte die Bundesregierung entsprechende von den Atomenergieerzeugern vereinbarte Rahmenverträge mit den Wiederaufbereitungsanlagen in Frankreich und Großbritannien. Unabhängig von der politischen Entscheidung des Bundes, vereinbarten Bund und Länder eine gemeinsame Kommission auf Staatsekretärsebene, um einen innenpolitischen Konsenz in der "Entsorgungsfrage" herzustellen. Die inhaltliche Kontroverse, die in diesem Gremium ausgetragen wird, geht um die Forderung der SPD, auf die Wiederaufarbeitung sowohl in der Bundesrepublik als auch im Ausland zu verzichten und stattdessen die direkte Endlagerung als einzigen Entsorgungsweg im Atomgesetz vorzuschreiben.

Im Januar 1991 erklärte der sozialdemokratische Energieminister in Schleswig Holstein, Günther Jansen: "Ein entsorgunspolitischer Konsenz ist m.E. nur erreichbar, wenn die Bundesregierung und die Nuklearindustrie endlich ihre Fixierung auf die Wiederaufarbeitung aufgeben. Bei einer generellen direkten Endlagerung könnten zudem erhebliche Gefährdungspotentiale vermieden werden. Daß die Bundesregierung jetzt in ihren Koalitionsverhandlungen eine Bereitschaft für die Einführung der direkten Endlagerung anklingen ließ, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber immer noch zu wenig. Alleine mit der direkten Endlagerung - solange Kernkraftwerke überhaupt noch betrieben werden - kann der Atommüllberg beschränkt werden. Hierdurch wird die Chance, wenigstens ein Endlager zu finden, erhöht. Da Gorleben infolge sicherheitstechnischer Mängel als Endlager für wärmeentwickelnde Abfälle äußerst umstritten ist, muß die Suche nach einem geologisch geeigneten anderen Standort vorrangig betrieben werden."

Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen war es vor allem die FPD, bzw. Gerhard Baum, der darauf gedrungen hatte, der direkten Endlagerung in der für 1992 angekündigten Novellierung des Atomgesetzes mehr Raum zu geben, ohne jedoch auf die Wiederaufarbeitung gänzlich zu verzichten. Schon zuvor hatte die in Atomstromerkreisen maßgebliche "Vereinigung Deutscher Elektrizitäswerke" (VDEW) ein Strategiepapier zur "Brennelemententsorgung und Verwertung von Plutonium und wiederaufgearbeitetem Uran - gegenwärtige Situation und langfristige Perspektiven" vorgelegt und darin als ein mögliches Modell den tendenziellen Verzicht auf die Wiederaufarbeitung nach dem Jahr 2000 durchdacht und Interesse daran bekundet, künftig verstärkt Uranbrennelemente mit einem höheren Abbrand als heute üblich in den Reaktoren einzusetzen.

Wohin die SPD-Reise in Sachen entsorgungspolitischen Konsens gehen wird, ist derzeit noch offen. Allerdings bleibt Skepsis angesagt. Zwar wird hin und wieder Seitens der SPD betont, daß die direkte Endlagerung nur dann vorankommen kann, wenn gleichzeitig eine Befristung für den Betrieb der AKWs erfolgt. Nur so meint die SPD, wäre die notwendige Akzeptanz der Bevölkerung für ein atomares Endlager zu haben. Entsprechende Formulierungen lassen sich auch in den rot-grünen Koalitionsvereinbarungen in Niedersachsen finden, oder anläßlich einer gemeinsamen Erklärung der zuständigen Minister aus Schleswig Holstein (Jansen, SPD), Niedersachsen (Griefahn) und Hessen (Fischer, Grüne) zum fünften Jahrestag der Atomkatastrophe von Tschernobyl: "Gleichzeitig sind sie der Überzeugung, daß eine direkte Endlagerung nur in Verbindung mit dem Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie eine Beschränkung der jetzt schon vorhandenen Atommüllmenge möglich macht. Nur so kann eine Akzeptanz seitens der Bevölkerung für ein solches Endlager überhaupt erreicht werden."

Ob die SPD angesichts derart wachsweicher Erklärungen einen entsorgungspolitischen Kompromis ablehnen würde, der die Endlagerung gleichberechtigt neben die WAA stellt, allerdings keinerlei zeitliche Befristung enthält, muß bezweifelt werden.

Klare Verlautbarungen der SPD-Führung gibt es derzeit zu dieser Problematik nicht. Im April fand anläßlich der Kontroverse um den Neubau von Atomreaktoren in der Ex-DDR teilweise eine öffentliche Diskussion statt, die deutlich machte, daß vor allem Teile der sozialdemokratischen Gewerkschafter lieber heute als morgen wieder auf eine Atomlinie einschwenken würden. So haben die ÖTV-Chefin Wulf-Matthies und der Chef der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, Hans Berger, klar gemacht, daß aus seiner Sicht einem Konsens in Sachen Atom nichts entgegenstünde. Gegenüber dem Handelsblatt hatte Berger Anfang des Jahres erklärt, daß "wir alle gemeinsam mit der vorhandenen Kernenergie noch sicherer als bisher weiterleben können". Bedingung sei, daß die großen Parteien sich beim Problem der Entsorgung einigen. Auch in den Bundesländern Saarland und Nordrhein Westfalen könnte angesichts des 1995 auslaufenden, seinerzeit als Jahrhundertwerk bezeichneten Kohlevertrag sehr schnell die bislang öffentlich zur Schau gestellten Positionen gewechselt werden. Drohungen der Bundesregierung und der Stromwirtschaft, den Vertrag über Abnahme und Verstromung festgelegter Steinkohlekontingente nach 1995 nicht zu verlängern, würden den Druck auf die sozialdemokratisch regierten Bundesländer drastisch erhöhen und sicherlich auch die innerparteiliche Kontroverse um die Atomenergie erneut anstacheln.

Auch die im April dieses Jahres geführten "Geheimgespräche" zwischen Wirtschaftsminister Möllemann (FDP) und dem SPD-Parteivorsitzenden Björn Engholm, dem saarländischen Ministerpräsidenten und Vorstandsmitglied Oskar Lafontaine und nordrhein-westfalens Ministerpräsidenten Johannes Rau lassen nichts gutes über den zukünftigen Kurs der SPD in Sachen Atomenergie ahnen. Nach dem Gespräch, über dessen Inhalt die Beteiligten Stillschweigen vereinbarten, sagte Möllemann relativ optimistisch: "Mein Eindruck ist, daß auch die Sozialdemokratische Partei den Versuch, einen energiepolitischen Konsens herzustellen, ernsthaft mitunternehmen will." Und die "taz" kommentierte diese Stellungnahme: "Wenn des Bundesministers Eindruck nicht trügt, steuern die Sozialdemokraten auf eine neue energiepolitische Zerreißprobe zu." Seitens der SPD-Spitze war bis heute nichts über diese Gespräche zu erfahren. Angesichts der vielbeschworenen Offenheit der SPD in Sachen Atom muß dieses Verhalten verwundern.

Sollte die SPD zu einem neuen energiepolitischen Konsenz mit der CDU/CSU und FDP bereit sein, dann liefe dies möglicherweise darauf hinaus, daß die Zwischenlager für bestrahlte Brennelemente in Gorleben und Ahaus doch zum Einsatz kommen würden. Aus Sicht der Grünen/ GAL ist auch eine Forderung die Wiederaufarbeitung zugunsten der direkten Endlagerung aufzugeben ohne dies gleichzeitige an den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie zu koppeln, abzulehnen.

10.1. NEUE GUTACHTEN ZUR AUSLANDS-WIEDERAUFARBEITUNG

Neben Sicherheitsaspekten und politisch-rechtlichen Paradigmen spielt in der Auseinandersetzung um die Frage nach Wiederaufarbeitung und direkter Endlagerung auch die wirtschaftliche Seite eine bedeutende Rolle. Wurde bislang von Seiten der Atombefürworten gebetsmühlenartig beteuert, daß die Wiederaufarbeitung wirtschaftlich lohnend sei, so ist seit einiger Zeit eine Umorientierung zu erkennen. In der Atomwirtschaft (2/91) kommt Dippert nach einem Kostenvergleich zwischen direkter Endlagerung und Wiederaufarbeitung zu folgendem Ergebnis: "Für den Weg der direkten Endlagerung ergeben sich deutliche Kostenvorteile dadurch, daß die Brennelementekonditionierung einschließlich Zwischenlagerung billiger ist als die Wiederaufarbeitung mit Abfallkonditionierung und Zwischenlagerung der konditionierten Abfälle. Gegenüber den neuen Wiederaufarbeitungverträgen ergibnnt sich ein Kostenvorteil von rd. 1000 DM/kg SM für die direkte Endlagerung." Etwas vorsichtig ergänzt er: "Dieser bisher auf theoretischen Abschützungen der PAE (Projektgruppe Andere Entsorgungstechniken, Anm. d. Verf.) beruhende Kostenvorteil muß jedoch in der Praxis noch bestätigt werden."

Auch in der Atomwirtschaft macht sich also die Kunde breit, daß der Weg über die Wiederraufarbeitung wirtschaftlich völliger unsinn ist. Umso deutlicher wird dadurch, daß die Motivation, diesen Weg auch heute noch aufrechtzuerhalten, vor allem politischen Charakter hat.

Wiederaufarbeitung Altverträge Neuverträge Direkte Endlagerung

DM/kg SM DM/kg SM DM/kg SM

BE-Transporte 130- 160 130- 160 130-160 WAA, BE-

BE-Lagerung, Konditionierung

Waste-

Konditionierung 2740 1600 500-700

Abfallrücknahme 400 400 Zwischenlager 360

Endlagerung 820 820 Endlagerung 820

Gesamtkosten: 4100 3000 2000

durchschnittliche Brennstoffkosten: Stand ca. 1989

Uran: 13,4% entspricht 25 US-$/llb U3O8 entspricht 0,33 Pf/kWh

Anreicherung: 16,2 % 260 DM/kg UTA 0,40 Pf/kWh

BE-Fertigung: 12,5% 876 DM/kg SM 0,31 Pf/kWh

Entsorgung: 57,9 % 4000 DM/kg SM 1,43 Pf/kWh

Angaben nach Dippert

Um ihre Position gegen die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente zu fundieren, hat die schleswig holsteinische Landesregierung drei Gutachten in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse anläßlich des Tschernobyl-Jahrestages der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Die wichtigsten Punkte sind:

- In den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague und Sellafield findet keine schadlose Verwertung statt. Das Ökoinstitut Darmstadt weist im dem Gutachten nach, daß radioaktive Stoffe ins Meerwasser abgegeben und damit großräumig verteilt werden.

Im einzelnen stellte das Öko-Institut fest,

- daß die Werte für die zulässigen Jahresaktivitätszufuhren für Menschen bei ausgewählten hochtoxischen Radionukliden erheblich über denen bundesdeutscher Werte liegen, teilweise wurden 16- bis 55-fache Erhöhungen festgestellt

- daß in La Hague und Sellafield routinemäßig Aktivitätsmengen pro Jahr abgeleitet werden, die bis zum Faktor 1.000 über denen liegen, wie sie in der Bundesrepublik zulässig wären

- daß die Existens der Vorfluter - für La Hague der Ärmelkanal sowie für Sellafield die Irische See - dazu benutzt wird, schwachaktiven Müll, der in der Bundesrepublik zementiert werden müßte, ins Meer abzuleiten.

Ein Vergleich der Anlagentechnik in La Hague und Sellafield, ergab, daß die Störfallsicherheit gering einzuschätzen ist. Erneut bestätigt wurde auch, daß die energiewirtschaftlich unnötige Wiederaufarbeitung zu einer sieben- bis neunfachen Atommüllvermehrung beiträgt. Dies bedeutet, so die Gutachter, daß bei der WAA erheblilch mehr Müll produziert werde als bei der direkten Endlagerung. "Im Ergebnis zeigt sich, daß die nunmehr grundsätzlich vorgenommen Auslandswiederaufarbeitung in den Anlagen in Sellafield und La Hague bundesdeutsche Sicherheitsstandards nicht erfüllt. Dieses Ausnützen - auch aus wirtschaftlichen Überlegungen - von geringerer Sicherheitstechnik und minderen Sicherheitsstandards (Grenzwerte, Rechenmodell) wird insbesondere durch die Möglichkeit in Anspruch genommen, radioaktiven Müll über das Meer ableiten zu können." In der BRD, so die Gutachter vom Öko-Institut weiter, bestünde eine solche Möglichkeit nicht, der schwachaktive Atomüll müßte hier konditioniert und endgelagert werden. "Dies alles bedeutet, daß bei der Auslandswiederaufarbeitung Strahlenexpositionen unnötig veruracht und freigesetzt werden, die in der Bundesrepublik gem. § 28 Abs. 1 StrlSchV vermieden werden müßten."

Unter dem Titel "Rechtsprobleme einer atomaren Wiederaufarbeitung im Ausland" kommen Dr. Gündling und Professor Dr. Roßnagel zu dem Ergebnis, daß die von den AKW-Betreibern verlangten Nachweise zur Entsorgungsvorsorge spätestens seit der Aufgabe des integrierten Entsorgungskonzeptes durch die Atomwirtschaft nach der Entscheidung Wackersdorf nicht zu bauen, hinter den gesetzlichen Anforderungen des § 9a AtG zurückbleiben. Der Paragraph fordert den Nachweis der "Schadlosigkeit" der Verwertung radioaktiver Reststoffe, also der schadlosen Wiederaufarbeitung von Plutonium im Ausland. Dabei dürfen nach Auffassung der beiden Juristen die Vorschriften der bundesdeutschen Strahlenschutzverordnung nicht unterlaufen werden. Ausdrücklich stellen die beiden Autoren fest, daß es nicht um einen unzulässigen Eingriff in die Souveränität anderer Staaten gehe, wenn die bundesdeutsche Rechtsnorm zur Voraussetzung gemacht werde. Der Paragraph 9a AtG verlange vom Betreiber des AKWs bereits bevor Atommüll entsteht den Nachweis der schadlosen Verwertung. Den Nachweis muß daher der AKW-Betreiber und nicht das WAA-Unternehmen beibringen.

Daher empfehlen die Gutachter, die genehmigungsgemäßen Pflichten der AKW-Betreiber durch nachträgliche Auflagen an die gesetzlich zu erfüllenden Forderungen anzupassen. Dadurch könne sicher gestellt werden, daß sich AKW-Betreiber durch die Verlagerung der Wiederaufarbeitung ins Ausland nicht den Vorschriften des bundesdeutschen Strahlenschutzrechts entziehen. Deshalb müßten die Betreiber künftig den Nachweis erbringen, daß

- für den Normalbetrieb das 30-mrem-Konzept eingehalten werden

- die Wiederaufarbeitungsanlagen nach Stand von Wissenschaft und Technik ausreichend gegen Störfälle gesichert sind und

- die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik gesichert werden.

Neben dem Nachweis, wie die Reststoffe Plutonium und Uran tatsächlich schadlos verwertet werden, sollten die AKW-Betreiber auch den Nachweis erbringen, daß die ab 1993 beginnende Rücknahme für den Atommüll aus der Wiederaufarbeitung rechtlich und technisch erfüllbar ist. Da unabsehbar ist, wann ein Endlager für radioaktive Abfälle zur Verfügung steht, haben die Betreiber ausreichende Zwischenlagerkapazitäten über die bislang geforderten sechs Jahre hinaus nachzuweisen, fordern die beiden Gutachten.

Auf der bereits erwähnten Pressekonferenz forderten die drei zuständigen Fachminister aus Hessen, Niedersachsen und Schleswig Holstein Bundesumweltminister Klaus Töpfer auf, umgehend eine sorgfältige Überprüfung der Betriebsgenehmigungen aller Atomkraftwerke in der BRD durchzuführen, um zu klären, ob ihre Entsorgungsregelungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Dazu solle auch der Staatssekretärsausschuss "Entsorgung" einberufen werden, um die Gutachten zu diskutieren und entsprechende Folgerungen zu beraten. (Ergebnisse sind bisher nicht bekannt!)

10.2. DIE ENTSORGUNG DER HEW-REAKTOREN BRUNSBÜTTEL UND KRÜMMEL

Ungeachtet der regen gutachterlichen Tätigkeit der schleswig holsteinischen Landesregierung haben die HEW nach dem Scheitern der WAA Wackersdorf damit begonnen, ihre "Entsorgungsvorsorge" der neuen Situation anzupassen. Nachdem die Bundesregierung im Juni 1989 die Wiederaufarbeitung im Ausland als Teil des "integrierten Entsorgungskonzepts" politisch anerkannt und im Frühjahr 1990 die mit La Hague und Sellafield ausgehandelten Rahmenverträge gebilligt hat, haben die HEW am 18. April mit der COGEMA in La Hague und am 3. Mai 1990 mit der BNFL in Sellafield Verträge über die Wiederaufarbeitung der abgebrannten Brennstäbe geschlossen.

Nach Angaben des HEW-Vorstands ist mit den beiden Verträgen die Wiederaufarbeitung des Atommülls aus Brunsbüttel und Krümmel durch bindende Verpflichtungen bis zum Jahre 2005 gesichert. Darüber hinaus haben die HEW und die beiden WAAs "Optionen" für die Aufarbeitung bis zum Jahre 2015 vereinbart.

Im einzelnen haben die HEW mit Cogema und BNFL folgende Mengen fest vereinbart:

AKW bei COGEMA bei BNFL

KKB 365 Tonnen Uran 2019 BE --------------------

KKK 242 Tonnen Uran 1325 BE 318 Tonnen Uran 1804 BE

Jährlich, so teilt der Senat in einer kleinen Anfrage (Drucksache 14/75) außerdem mit, entstehen im AKW Brunsbüttel durchschnittlich 300 Kilogramm Pltuonium und im AKW Krümmel 450 Kilogramm Plutonium.

In der Antwort auf die kleine Anfrage (Drucksache 14/74) teilt der Senat mit, daß nach Angaben der HEW bis jetzt 338 Kilogramm Plutonium aus bestrahlten Brennelementen des AKW Brunsbüttel abgetrennt worden sind und 236 Kilogramm Plutonium für das AKW Krümmel. Doch diese Zahlenangaben schwanken erheblich. In einem Antragsschreiben der "Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH" aus dem Jahre 1988 heißt es, daß 365 Kilogramm Plutonium in der Wiederaufarbeitung von Brennelemten aus Brunsbüttel angefallen sind, also immerhin 29 Kilogramm mehr als die HEW heute angeben!

Darüber hinaus machen diese Zahlen deutlich, daß die WAA in La Hague auch als gigantische Zwischenlager dient. Berücksichtigt man, daß das bisher wiedergewonnene Plutoniunm in etwa der jährlich in den beiden Atomreaktoren erzeugten Menge entspricht, läßt sich erkennen, die tatsächliche Aufarbeitung nur sehr schleppend vorankommt. Immerhin in Krümmel seit 1983 in Betrieb und Brunsbüttel seit 1976. Das bedeutet, daß in Krümmel in rund acht Betriebsjahren bei einer jährlichen Plutoniumerzeugung von 450 Kg bis heute insgesamt 3600 Kg Plutonium erzeugt worden sind. In Brunsbüttel müssen rechnerisch bis heute insgesamt 4800 Kg Plutonium entstanden sein.

Ohne genaue Mengen anzugeben lagert das Plutonium nach Angaben des Senats in Frankreich bei der Cogema in La Hague, bei Siemens in Hanau sowie bei der COMMOX im belgischen Dessel.

Gesamte Entlademengen der vier Hamburger AKWs von 1991 bis 2005 in Tonnen Schwermetall

AKW Stade 1991-2007: ( geplante endgültige Stillegung) 256

AKW Brunsbüttel: 239

AKW Krümmel: 374

AKW Brokdorf: 358

Angaben nach VDEW 1989

Noch bevor die HEW über eine Genehmigung für den Einsatz von MOX-Brennelementen in Brunsbüttel und Krümmel verfügen, gibt es bereits Verträge mit der Siemens-Alkem. In einem sogenannten "Fertigungsrahmenvertrag" für die MOX-Fertigung ist die Herstellung dieser Brennelmente für beide Reaktoren bis zum Jahr 1998 gesichert.

11. FÜNF JAHRE NACH TSCHERNOBYL: ATOMAUSSTIEGS-PLÄNE IM NORDEN

Kurz nach der Katastrophe in Tschernobyl beschloß der damals allein sozialdemokratische Senat in Hamburg, innerhalb von 10 Jahren aus der Atomenergie austeigen zu wollen. Zwei Jahre später, im Sommer 1988, übernahm in Schleswig Holstein die SPD die Regierung und erklärte, die Stillegung der drei AKWs Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel innerhalb von zwei Legislaturperioden durchzusetzen. Und noch einmal zwei Jahre später kam in Hannover eine rot-grüne Koalition zustande. Auch sie erklärte - ohne sich jedoch zeitlich festzulegen - den Ausstieg aus der Atomenergie organisieren zu wollen.

Eine politische Konstellation im Norden der Republik, von der man meinen könnte, daß AtomkraftgegnerInnen von ihr immer geträumt haben. Was ist in den letzten Jahren in Sachen Atomausstieg in den drei Bundesländern geschehen? Über die Aktivitäten und Mängel soll hier ein Überblick erfolgen

Schleswig Holstein:

Mit einer schweren politischen Niederlage endete die erste Kraftprobe des schleswig holsteinischen Energieministers Günther Jansen. Ein gebrochener Zentrierstift und fehlende Untersuchungseinrichtungen für insgesamt 360 Zentrierstifte, die der Ausrichtung der Brennelemente dienen, nahm Jansen im August 1988 zum Anlaß, die Wiederinbetriebnahme Brokdorfs abzulehnen. Nur mit einem wackeligen TÜV-Gutachten argumentierend, das die Mängel anders als Jansen als nicht sicherheitsrelevant einstufte, wurde er in nur 14 Tagen durch Bundesumweltminister Klaus Töpfer zur Inbetriebnahme angewiesen, weil keine Sicherheitsmängel vorhanden seien. Statt sich auf das TÜV-Gutachten zu stützen, hätte sich Jansen einfach die Auflagen in einer noch von der damaligen CDU-Regierung ausgesprochenen Teilgenehmigung genauer ansehen sollen. Danach hätten die Betreiber noch vor dem ersten Brennelementwechsel nachweisen müßen, wie eine Überprüfung der Zentrierstifte und deren Austausch möglich wäre.

Auch seine Haltung bei dem Brokdorf-Prozeß von Karsten Hinrichsen ließ Jansen in einem schrägen Licht stehen. Hinrichsen verlangte vor dem OVG Lüneburg von der Genehmigungsbehörde - dem schleswig holsteinischen Energieministerium - den Widerruf einer Teilbetriebsgenehmigung, weil die dort genehmigten radioaktiven Emmissionen im Normalbetrieb derart hoch wären, daß er als Anwohner einer unzulässigen Strahlenbelastung ausgesetzt sei. Jansen fürchtete jedoch, daß ein positives Urteil seine Ausstiegsbemühungen erschweren könnte, weil ihm damit ein Argument zur Stillegung verloren ginge. Deshalb vertrat er die Auffassung, daß das OVG die Klage Hinrichsens abweisen müßte, was auch geschah.

Aufgrund der Haltung Jansens gab Lars Hennings seine Klage gegen Brokdorf entmutigt auf. Verärgert war er auch, weil das Ministerium sich beim Hinrichsen-Verfahren von dem Rechtsanwalt Herbert Schattke hatte vertreten lassen, der jahrelang für die ehemalige CDU-Regierung gegen AKW-GegnerInnen vor Gericht gekämpft hatte. Hennings hatte gegen den Sicherheitsabbau und die Erhöhung des Gefahrenpotentials in Brokdorf geklagt. Eine Klage, von der das Jansen-Ministerium später erklärte, daß man sich große Chancen von ihr für die Stillegung von Brokdorf ausgerechnet habe.

In der Abgeschiedenheit der Kieler Amtsstuben wurde auch die nächste Niederlage vorbereitet. Das Energieministerium hatte erkannt, daß in Brunsbüttel keine ausreichende Bruchsicherheit des Dampfrohrsystems außerhalb des Reaktorbehälters besteht. Jansen veranlaßte seine Mitarbeiter, eine Stillegungs-Verfügung anzufertigen und unterrichtete den Bundesumweltminister von der für denselben Abend geplanten Abschaltung. Töpfer reagierte prombt. Zwar könne er kurzfristig keine umfassende Stellungnahme abgeben, allerdings halte er die Abschaltung nicht für angemessen, teilte der Minister den Kielern mit. Jansen wertete dies als eine Weisung, Brunsbüttel nicht abzuschalten. Und er tat es nicht. Die Öffentlichkeit erfuhr von diesem Vorfall erst zwei Monate später durch die Presse.

Die politisch wohl beste Möglichkeit zur Stillegung der AKWs in Schleswig Holstein, ließ Jansen fast völlig verstreichen. Das Aus für die WAA in Wackersdorf brachte im Frühjahr 1989 das völlige Scheitern des sogenannten "integrierten Entsogrungskonzepts". Darin verständigten sich 1980 Bund und Länder, daß zur sicheren Entsorgung die Endlagerung und die Wiederaufarbeitung innerhalb der Bundesrepublik gehören. Mit dem Wegfall der nationalen WAA konnte von einer "gesicherten Entsorgung" also keine Rede mehr sein. Statt Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel nun abzuschalten und die politische Konfrontation zu suchen, zeigte sich Jansen kooperativ. Er drohte nur mit der Stillegung der Anlagen, die Wackersdorf als konkreten Entsorgungsnachweis angeführt hatten. Außerdem verlangte er, daß es bundesweit zu einer Neuregelung der Entsorgung kommen müsse, die die direkte Endlagerung abgebrannter Brennelemente aus Kernkraftwerken und einen zeitlichen Rahmen für deren Nutzungsdauer festlegt. Bis heute ist eine solche Neuregelung nicht vorhanden. Bei der Novellierung des Atomgesetzes soll im nächsten Jahr lediglich die direkte Endlagerung stärker als bisher berücksichtig werden.

Hamburg: NIX GEWESEN

Widmet man sich der Hamburger Ausstiegspolitik, so müßten die nächsten Zeilen im Grunde leer bleiben. Hamburg ist zwar für kein einziges AKW Genehmigungsbehörde (mit Ausnahme des von der Fachhochschule Hamburg betriebenen Forschungsreaktor), hält aber immerhin die Mehrheit an den HEW, die zu über 50 Prozent an den AKWs Brunsbüttel und Krümmel, sowie in geringerem Umfang an Brokdorf und Stade beteiligt sind. Doch trotz des Senatsbeschlusses vom September 1986, wenige Monate nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, aus der Nutzung der Atomenergie aussteigen zu wollen, wurden die Möglichkeiten auf die Politik der HEW Einfluß zu nehmen, bislang nicht genutzt. Es fehlen, so betonte Ex-Umweltsenator Sven Jörg Kuhbier immer wieder, die politischen Mehrheiten im SPD/FDP-Senat.

So fristete zum Beispiel der Antrag, die Satzung der HEW Richtung Atomausstieg zu ändern, den Kuhbier als Vorsitzender des Aufsichtsrats der HEW erstmals 1987 in die Hauptversammlung der HEW einbringen wollte, ein schauerliches Dasein. Seitdem wurde der Antrag immer wieder von der Tagesordnung verwiesen und aufs nächste Jahr verschoben. Das lag - so versicherte Kuhbier vier Jahre lang - vor allem am Widerstand des ehemaligen Koalitionspartner FDP. Nachdem der Antrag aber auch dieses Jahr, wenige Wochen nach der Bürgerschaftswahl, bei der die SPD die absolute Mehrheit erhielt, vertagt wurde, ist klar, daß es auch in der SPD keine Mehrheit für einen auch noch so kleinen Schritt zum Atomausstieg (per HEW-Satzungsänderung) gibt. Kuhbier mußte den Antrag erneut von der Tagesordnung nehmen.

Sogar der Rausschmiß von Günther Jansen aus dem Aufsichtsrat konnte durchgesetzt werden. Die in der "Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierschutz" (DSW) zusammengeschlossenen Kleinaktionäre der HEW klagten Jansen im Herbst 1989 mit Erfolg aus dem Aufsichtsrat der HEW raus, weil dieser als "gerichtsbekannter Kernkraftgegner", der "unablässig alles daran" setze, AKWs abzuschalten, der HEW wirtschaftlich schade.

Wohl um nicht geschäftsschädigend zu wirken, gab es vom Hamburger Umweltsenator auch keine öffentliche Stellungnahme zum Genehmigungsverfahren für den von der HEW geplanten Einsatz von plutoniumhaltigen MOX-Brennelementen im AKW Brunsbüttel.

Über die Vergabe von Gutachten kommt die Hansestadt denn auch kaum hinaus. Das sogenannte Drei-Stunden-Gutachten, vom Ökoinstitut Darmstadt erstellt, zeigte 1987 nochmals die Gefährlichkeit der AKWs: Kommt es in den AKWs Krümmel und Brunsbüttel zu einem GAU, würde der Sicherheitsbehälter maximal drei bis 17 Stunden halten, bevor die gesamte Radioaktivität nach außen gelange. Für die Bevölkerung gäbe es dann keine Chance mehr. Konsequenzen aus diesem Horrorszenario für Hamburger Senat: keine. Die Anweisung an die HEW, die beiden AKWs schnellstens abzuschalten, erfolgte nicht.

Doch auch die Position der vorgeblich ausstiegsbereiten SPDler wie Kuhbier ist im Grunde nicht gerade fortschrittlich. Der Nürnberger SPD-Beschluß, den im September 1986 der Senat übernahm, will den Ausstieg innerhalb von 10 Jahren im Konsens mit allen gesellschaftlichen Gruppen erreichen. Abgesehen davon, daß der Ausstieg damit auf die Bundesebene und damit auf unbestimmte Zeit vertagt wird, bleibt das Problem, wie die Atomindustrie als gesellschaftliche Gruppe davon überzeugt werden soll, ihre eigene Existenz zu beenden. Berücksichtigt man außerdem, daß in den vergangenen Jahren die konvetionelle Kraftwerksleistung in Hamburg immer mehr abgebaut und damit die Abhängigkeit vom Atomstrom weiter zementiert wurde, so erscheint der SPD-Beschluß als bloße Farce. Der Ausstieg wird nur durch eine scharfe politische Konfrontation mit der Atomindustrie bewerkstellig werden können.

Zusammenfassend ist eine Bilanz über den Atomausstieg für Hamburg kläglich. Einige hundertausend Mark wurden für folgenlose Gutachten ausgegeben. Das wars.

Niedersachsen

Die rot-grüne Koalition betreibt einen Spagat, der grundsätzlich äußerst problematisch ist. Sie erklärt die Atomenergie als "unverantwortbares Risiko" und die "Lagerung des Atommülls (als) ungelöst", übernimmt mit dieser Sichtweise aber Regierungsverantwortung, um im "Rahmen des geltenden Rachts alle Möglichkeiten auszuschöpfen" die Atomwirtschaft in Niedersachsen abzuschaffen. Doch entweder ist die Atomkraft unverantwortlich, dann ist Widerstand und schnelles Handeln gegen sie pure Notwehr (und vielleicht sogar durch das Grundgesetz abgedeckt). Oder sie läßt sich eben doch ein bißchen verantworten (es wird schon nichts schlimmes passieren), dann kann in aller Ruhe mit Recht und Gesetz ausgestiegen werden.

Anders als Schleswig Holstein hat die rot-grüne Koalition keinen Zeitplan für den Ausstieg angegeben. Allerdings kündigte Umweltministerin Monika Griefahn vor BürgerInnen aus dem Raum Stade vor rund einem Jahr an, daß es nach dem nächsten Brennelementewechsel im AKW Stade keine Genehmigung zum Wiederanfahren des Atomreaktors geben werde. Inzwischen hat dieser Brennelementewechsel stattgefunden und Stade läuft wieder.

Statt Abschaltung hat das niedersächsische Umweltministerium mit einer auf zwei Jahre angelegten erneuten Sicherheitsüberprüfung des AKW Stade begonnen. Beteiligt sind daran neben dem TÜV Norddeutschland auch die Gruppe Ökologie Hannover und und das Ökoinstitut Darmstadt. Die ersten Gutahten liegen inzwischen vor. Allerdings ist dabei nichts herausgekommen, als was nicht schon seit Jahren von AtomkraftgegnerInnen immer wieder aufgezeigt wurde: viele Sicherheitssysteme des AKWs wären nach heutigem Stand von Wissenschaft und Technik nicht mehr genehmigungsfähig. Bevor jedoch eine "gerichtsfeste" Stillegungsverfügung geschrieben werden könne, so das Ministerium, müßten weitere Gutachten her.

Nicht viel anders sieht es bei der Überprüfung des Reaktordruckbehälters aus. Bereits im Dezember letzten Jahres hatte ein Gutachten der Gruppe Ökologie festgestellt, daß es um die Versprödung des Reaktors äußerst schlimm steht. Schnelle Temperaturveränderungen während eines Störfalls könnten den Reaktor zum Platzen bringen, erläuterte Gutachter Helmut Hirsch. Doch auch aus seiner Sicht müßten nun weitere Detailgutachten erstellt werden, um damit vor Gericht bestehen zu können. Allerdings: Seit nunmehr acht Monaten ist der Auftrag des Umweltministeriums an die Gruppe Ökologie für das für erforderlich erachtete Gutachten nicht erteilt. Angeblich, so die offizielle Darstellung, wolle das Ministerium vermeiden, daß gutachterliche Arbeiten aus versehen doppelt erfolgen. Um dies auszuschließen, müßten bereits vorhandene Materialien gesichtet werden.

Ulrike Donat, Rechtsanwältin und Vertreterin der Kläger gegen das AKW Stade, hat das Umweltministerium inzwischen mehrfach aufgefordert, doch endlich "Mut zum Ausstieg" zu zeigen. Die Regierung solle das AKW mit den bisher vorliegenden Fakten einfach stillegen, und dann während des so oder so anstehenden Streits mit Betreibern und Bonn weitere Fakten nachschieben. Die Vorarbeiten für einen derartigen Streit könnten in einem halben Jahr erfolgt sein. Ein Vorgehen, das der grüne Staatsekretär im Umweltministerium, Peter Bulle, bislang als "leichtfertiges Handeln" zurückwies. Doch immerhin: diese Leichtfertigkeit würde bedeuten, daß das AKW Stade noch vor der endgültigen Stillegung schon jetzt immer wieder abgeschaltet wäre.

Atom-Rechtsstaatlich ist es eben so, daß der SuperGAU eher zu verantworten ist, als der Verlust von ein Paar Millionen DM Umsatz der Stromerzeuger.

Auch Pannen hat die rot-grüne Regierung schon hinter sich. Wirtschaftsminister Fischer (SPD) unterzeichnete wenige Wochen nach der Regierungsübernahme, angeblich aus versehen, die Genehmigung für den Hauptbetriebsplan zum weiteren Bau des geplanten Endlagers in Gorleben. Der Grüne Atomexperte Hannes Kempmann sagte damals genervt, daß damit der Weg bis zur Betriebsfähigkeit des Endlagers im Salzstock von Gorleben freigemacht wurde. Trotz der Reichweite kam es noch nichteinmal zu einem ernsthaften Koalitionsstreit. Dafür aber zu einem überraschenden Baustopp. Weil Fischer den sonst üblichen Sofortvollzug der Genehmiung nicht erteilt hatte, konnten mehrere BürgerInnen aus Lüchow Dannenberg erfolgreich vor Gericht klagen. Unter dem Druck einer Töpfer-Weisung, den Sofort-Vollzug zu erklären, beugte sich die rot-grüne Regierung. Allerdings mit einer Auflage, die die weitere Arbeit am Endlager bis vor kurzem erheblich behinderte. Die Klage der Lüchow Dannenberger hatte erreicht, daß das aus den Endlager-Schächten beförderte Salz nicht auf dem Haldengelände gelagert werden dürfe. Dies machte Griefahn den Endlager-Betreibern zur Auflage und forderte vor Aufnahme der weiteren Bauarbeiten den Nachweis über den Verbleib des Salzes. Inzwischen haben die Endlager-Betreiber diese Auflage jedoch erfolgreich abgearbeitet. Das Salz soll nun in das auf dem ehemaligen DDR-Gelände liegenden Endlager für leichtaktive Abfälle nach Morsleben gebracht werden. Ende Juli stimmte das Umweltministerium dieser Lösung zu, seitdem kann wieder munter gebaut werden. Damit steht dem Ausbau des Endlagers nichts mehr im Wege.

Bisher wenig erfolgreich agierte die rot-grüne Regierung auch beim geplanten Endlader für leichtradioaktive Abfälle im Schacht Konrad. Die Regierung hatte vereinbart, daß laufende Genehmigungsverfahren nicht weiter zu betreiben. Mehrfach drohte Töpfer darauf hin mit einer Weisung und forderte, daß die Genehmigungsunterlagen endlich öffentlich ausgelegt werden sollten. Hannover reagierte mit dem Hinweis, daß die Unterlagen noch nicht vollständig seien und erst eine Umweltverträglichkeitsprüfung des geplanten Endlagers erfolgen müßte. Töpfer hielt dies nicht für erforderlich und schickte die Anweisung. Anders als Jansen klagte Griefahn vor dem Bundesverwaltungsgericht, weil sie die Weisung als rechtswidrig einschätzte. Doch Töpfer mochte das Verfahren nicht abwarten und klagte beim Bundesverfassungsgericht. In ungewöhnlicher Schnelligkeit und obwohl das Verwaltungsgericht bereits einen Verhandlungstermin anberaumt hatte, gab das BVG Töpfer recht. Hannover muß seine Weisung befolgen, egal ob diese rechtmäßig ist oder nicht. Inzwischen ist die öffentliche Auslegung abgeschlossen. Über 100.000 EinwenderInnen, darunter zahlreiche Städte und Gemeinden haben ihre Widersprüche gegen das Endlager schriftlich vorgebracht.

Der vorerst letzte "Höhepunkt" in Sachen rot-grüner Atomausstieg endete mit der Räumung einer Blockade vor dem Zwischenlager für leichtradioaktiven Atommüll in Gorleben. Geplant war, daß ein Transport mit zehn Kubikmetern Atommüll aus dem belgischen Mol in das Faßlager gebracht werden sollte. Da ca. 100 AtomkraftgegnerInnen die Zufahrten zum Faßlager blockiert hatten, begaben sie sich in den Schutz der Polizeikaserne in Lüchow.

Die Genehmigung für Transport und Einlagerung der Molfässer in Gorleben hatte das zuständige Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg schon Wochen zuvor erteilt. Aufsichtsbehörde für dieses Amt ist das Umweltministerium von Monika Griefahn. Wie die Sprecherin im rot-grünen Umweltministerium, Eva-Maria Rexing, mitteilte, war man in Hannover grundsätzlich von den bevorstehenden Atomtransporten aus Mol unterrichtet. Lediglich über die inzwischen erteilte Genehmigung und den Transporttermin war das Ministerium nicht informiert, teilte Rexing mit. Überraschend daran ist, daß es bereits Monate zuvor wegen zahlreicher aufgeblähter und geplatzter Atommüllfässer in Gorleben reichlich Wirbel gab. Dies hätte eigentlich zu größerer Aufmerksamkeit im Umweltministerium führen müssen.

Erst als bereits Mitglieder der BI Lüchow Dannenberg gegen den bevorstehenden Transport protestierten, habe man nach Telefonaten mit der Gesellschaft für Nuklear Service (GNS), die für die Abwicklung der Transporte zuständig ist, Zweifel an der Herkunft des Atommülls bekommen. In dem vom Gewerbeamt erteilten Genehmigungsbescheid heißt es, daß nur Müll aus den Atomkraftwerken Krümmel und Neckarwestheim in Gorleben eingelagert werden dürfte. In einem Prüfbericht hatte der TÜV jedoch nur bestätigt, daß der GNS-Atommüll aus Mol von Leichtwasserreaktoren stammt. Nachdem das Umweltministerium und das Gewerbeaufsichtsamt der Einlagerung des Atommülls aus Mol in Gorleben mit der Begründung, die Herkunft sei unklar, verweigerten, dauerte es nicht lange, bis Umweltminister Klaus Töpfer dem Ministerium eine entsprechende Weisung auf den Tisch legte. Darauf hin versuchten Mitarbeiter des Ministeriums die BlockiererInnen davon zu überzeugen, die Straße für die Atommüll-LKWs frei zu machen. Ohne Erfolg. Die dann einsetzende Räumung, die nach Ankündigungen des Innenministers äußerst behutsam sein sollte, eskalierte dann durch das äußerst brutale Vorgehen der Polizei, die sich nicht scheute, Nahkampftechniken einzusetzen und BlockiererInnen mehrfach die Kehlköpfe eindrückte, so daß diese unter schweren Atemstörungen litten und zur Seite gezerrt werden konnten.

Nur wenige Tage, nachdem die rot-grüne Regierung den Weg für den Atommüll freigeräumt hatte, erteilte das Umweltministerium die erste Teilerrichtungsgenehmigung (TEG) für den Bau und Betrieb einer sogenannten Trockenkonversionsanlage für die Brennelementefabrik der "Advanced Nuclear Fuel GmbH" (ANF) in Lingen. Mit dieser Anlage will die ANF künftig Uranhexafluorid in das zur Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke benötigte Urandioxid umwandeln.

Die öffentliche Auslegung der Genehmigung erfolgte mitten in den niedersächischen Sommerferien. Dies hatte Herbert Masslau, Sprecher der BI "Emsland gegen Atomanlagen, als Skandal kritisiert. Denn nach der zweiwöchigen Auslegungsfrist haben BürgerInnen lediglich vier Wochen Zeit, ihre Bedenken gegen die ANF-Genehmigung vor Gericht geltend zu machen. Später sind Klagen nicht mehr möglich. Da die Rechtsanwälte der BI zur Zeit sämtlich im Urlaub sind, ist noch unklar, so Masslau, ob eine Klage gegen den Ausbau der ANF erfolgen wird. Weil das Umweltministerium keinen Sofortvollzug angeordnet hat, hätten Klagen gegen die ANF allerdings aufschiebende Wirkung und würden den Ausbau zunächst stoppen.

Bereits die Genehmigung durch das Umweltministerium war von der BI heftig kritisiert worden. Angesichts zahlreicher formaler Fehler und mangelhafter Antragsunterlagen während des noch unter der alten CDU-Regierung begonnenen Genehmigungsverfahrens hatte die BI gefordert, das gesamte Verfahren neu aufzurollen.

Die Genehmigungserteilung durch das rot-grüne Umweltministerium begründete Sprecherin Barbara Mussack damit, daß bereits 1977 beim Neubau der ANF von der damaligen CDU-Regierung Konzeptgenehmigungen erteilt worden waren, die auch eine Uran-Konversion vorsahen. Diese Genehmigungen hätten rechtliche Bindungswirkung gehabt.

Mit dem weltweit noch wenig erprobten Trockenkonversionsverfahren will die ANF künftig Uranhexafluorid in das zur Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke benötigte Urandioxid umwandeln. Lediglich die ANF-Muttergesellschaft in den USA, die dieses Verfahren entwickelt hat, betreibt seit einigen Jahren eine Testanlage. Unabhängige Beurteilungen über deren Sicherheit und Umweltverträglichkeit gibt es jedoch nicht. Kritiker der Anlage, wie zum Beispiel die "Gruppe Ökologie" (GÖK), halten denn auch die Störfallbetrachtungen der ANF für völlig unzureichend. Außerdem sieht die GÖK die vom Atomgesetz geforderte "besondere Zuverlässigkeit" der ANF nicht für gewährleistet. Im letzten Jahr verließen mehrere Behälter mit angereichertem Uran als Leerbehälter deklariert das Betriebsgelände, ohne das dies bei der ANF bemerkt wurde. Erst der Empfänger stellte diese schwere Panne fest und informierte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO). Nach Auskunft des niedersächischen Umweltministeriums habe eine Überprüfung stattgefunden, derzufolge keine grundsätzlichen Bedenken gegen die ANF bestünden.

Die Genehmigung erlaubt der ANF die Errichtung der neuen Betriebsgebäude sowie einen Probebetrieb des Konversionsverfahren mit nicht angereichertem Uran. Reinhardt Faulhaber, Geschäftsführer der ANF, kündigte an, daß man jetzt zügig mit dem Bau beginnen wolle. Dies wird - wenn nichts dazwischen kommt - etwa eineinhalb Jahre dauern. Mit der zweiten TEG, die dieses Verfahren für den kommerziellen Einsatz mit einer Anreicherung von bis zu fünf Prozent spaltbaren Uran 235 genehmigen wird, rechnet die ANF Ende 1992.

KEINE SORGEN FÜR DIE ATOMINDUSTRIE

Tatsächlich haben die Atombetreiber nach einigen Jahren regierter Ausstiegspolitik kaum ernsthaften Grund zur Sorge. Bis heute wird nach ihren Regeln gespielt. Denn die Ausstiegsregierungen haben der Atomindustrie versprochen, nach "Recht und Gesetz" aussteigen zu wollen. Doch das Atomgesetz zeigt wie kaum ein anderes Gesetz den immensen politischen Willen, die Atomkraft gegen jeden Widerstand abzusichern. Statt sich vorrangig auf institutionelle und juristische Strukturen eines Atomstaates festzulegen, in denen demokratische Beteiligungsformen für AKW-GegnerInnen nur unbedeutend vorhanden sind, wäre ein umfassende politische Initiative erforderlich, die eine informierte Öffentlichkeit mobilisiert.

12. WAS KANN GEGEN MOX GETAN WERDEN?

Nicht nur im Norden stehen die Zeichen auf MOX. Derzeit bereitet sich auch das Bayernwerk auf die Auseinandersetzung mit AtomkraftgegnerInnen vor. Bereits im Januar 1989 stellte das Bayernwerk für die Atomreaktoren Grundremmingen Block B und C beim zuständigen Bayerischen Landesamt für Umweltschutz einen Antrag, nachdem in den beiden Blöcken künftig insgesamt 35 Prozent des Reaktorkerns mit MOX-Elementen bestückt werden sollen. Zunächst ging das Landesamt noch davon aus, daß für das Genehmigungsverfahren die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht notwendig sei. Im Frühjahr 1991 bemerkte mußte das Landesamt diese Auffassung jedoch revidieren und mußte eine öffentliche Auslegung der Antragsunterlagen durchführen. Vom Februar bis April diesen Jahres lief diese Frist. Rund 40.000 EinwenderInnen legten in dieser Zeit ihren Protest gegen das Plutonium ein. Mit derart großem Widerspruch hatte offenbar weder das Bayernwerk, noch die bayerische Landesregierung gerechnet. War zunächt geplant, den öffentlichen Eröterungstermin Anfang Juni 1991 zu beginnen, so mußte das Landesamt nach der Flut von Einwendungen diesen Plan fallen lassen und den Termin auf "unbestimmte Zeit" verschieben. Parallel zu diesem Verfahren hatten die bayerischen Grünen einen Antrag im Landtag eingebracht, der von der Landesregierung eine umfassende Unterrichtung über die Risiken und den Nutzen von MOX-Brennelementen in Atomreaktoren verlangte. Doch obwohl dieser Antrag eine Mehrheit im Landtag fand und auch von CSU-Abgeordneten unterstützt wurde, sah sich die Regierung nicht in der Lage, diesem Landtagsbeschluß nachzukommen. Die Begründung der Regierung: sie müsse als zuständige Genehmigungsbehörde Neutralität waren.

Für das Atomkraftwerk Isar 1, ebenfalls ein Siedewasserreaktor, steht nach Auskunft der bayerischen Grünen die Auslegung der Genehmigungsunterlagen für den MOX-Einsatz kurz bevor.

Wie bereits dargelegt haben während der öffentlichen Auslegung der Genehmigungsunterlagen für den MOX-Einsatz im AKW Brunsbüttel im letzten Jahr über 20.000 Menschen Widerspruch erhoben. Derzeit werden diese von der schleswig holsteinischen Landesregierung ausgewertet. Der nun anstehende Eröterungstermin wird voraussichtlich im November dieses Jahres stattfinden. Bei diesem Termin können die EinwenderInnen mündlich ihre Argumente vortragen, die dann im Beisein der Genehmigungsbehörde und des Betreibers, der HEW, diskutiert werden. Wer allerdings keinen Widerspruch im Rahmen der Auslegung erhoben hat, darf an diesem Eröterungstermin nicht teilnehmen.

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Um dennoch allen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihren Protest gegen den MOX-Einsatz zum Ausdruck zu bringen, werden Die Grünen / GAL Hamburg zusammen mit anderen Initiativen und Gruppen versuchen, parallel zum Eröterungsverfahren Veranstaltungen und eine Demonstration am AKW Brunsbüttel durchzuführen.

Die öffentliche Auslegung für das AKW Krümmel soll nach Informationen aus dem Energieministerium nach den Sommerferien, voraussichtlich im September erfolgen. Ab dann liegen die Genehmigungsunterlagen für acht Wochen im Kieler Energieministerium und bei der Stadt Geesthacht aus.

Verschiedene Initiativen und Verbände werden dazu Sammeleinwendungen vorbereiten, mit denen an Büchertischen, auf Veranstaltungen und Treffen UnterstützerInnen gegen den MOX-Einsatz in Krümmel gewonnen werden sollen. Vorformulierte Einwendungen können über die Bezirkbüros der GAL, bei der Landesgeschäftsstelle oder über die Bürgerschafts-Fraktion bestellt werden.

Darüber hinaus werden die Grünen / GAL in der Hamburger Bürgerschaft initiativ werden, um zu erreichen, daß die Hansestadt alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzt, um die Pläne der HEW zu vereiteln. Dazu gehört, daß der Senat als Mehrheitsaktionär der HEW seinen Einfluß geltend macht, damit die HEW den Genehmigungsantrag beim schleswig holsteinischen Energieministerium zurückziehen. Selbst nach dem Atomgesetz ist es möglich, auf die Rückführung des Plutoniums zu verzichten, wenn dies aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar ist. Dem Hamburger Senat, der sich in der Vergangenheit bereits gegen den MOX-Einsatz ausgesprochen hat und den HEW steht der Weg offen, sich den kritischen Sachverstand anzueignen, um einen entsprechenden Nachweis der wirtschaftlichen Unsinnigkeit des MOX-Einsatzes zu belegen. Darüber hinaus ist kaum anzunehmen, daß das Kieler Energieministerium, nachdem es sich bereits mehrfach bemüht, die HEW zum Rückzug der MOX-Anträge zu bewegen, einer solchen Erklärung der HEW Widerstände entgegen bringen würde.

Der Senat soll daher beauftragt werden, Gespräche mit dem Aufsichtsrat und Vorstand der HEW in diesem Sinne zu führen und die HEW zum Rückzug der Anträge aufzufordern. Über den Verlauf der Gespräche muß die Bürgerschaft und die Öffentlichkeit umfassend informiert werden.

Die Grünen / GAL werden in den nächsten Bürgeschaftssitzungen Anträgge einbringen, die das Ziel verfolgen, daß Bürgerschaft und Senat gegen den MOX-Einsatz und Krümmel und Brunsbüttel aktiv werden.

Die Anträge werden folgenden Tenor haben:

- die Hansestadt Hamburg wird während der Auslegungsfrist der Unterlagen für den MOX-Einsatz im AKW Krümmel Einspruch erheben.

- Als Mehrheitsaktionär wird der Senat in der HEW darauf hinwirken, daß die HEW die Anträge für den MOX-Einsatz im AKW Brunsbüttel und im AKW Krümmel zurückziehen. Die Bürgerschaft ist spätestens vier Wochen nach dem Beschluß über die Maßnahmen des Senats zu informieren.

- Der Senat wird die Hamburger Öffentlichkeit umgehend über die Gefahren und Risiken des geplanten MOX-Einsatzes in Brunsbüttel und Krümmel informieren und sich öffentlich gegen den Einsatz von MOX aussprechen. Vor und während der öffentlichen Auslegung der Antrags-Unterlagen wird der Senat der Hamburger Bevölkerung vorschlagen, gegen den MOX-Einsatz Einspruch zu erheben und dazu geeignete Sammeleinwendungen vorbereiten. Außerdem wird der Senat veranlaßen, daß Bürger sich bei den Hamburger Behörden entsprechend beraten und informieren lassen können und ihnen fachlich und rechtlich bei der Abfassung von Einwändungen durch Behördenmitarbeiter geholfen wird. Die Information der Bevölkerung durch den Senat, die in Informationsblättern und Presseerklärungen erfolgen wird, umfasst sowohl die Problematik der Wiederaufarbeitung und die ungelöste Entsorgung, die Herstellung von MOX, den Einsatz im AKW und die damit verbundene Erhöhung des Gefährdungspotentials im Normalbetrieb als auch bei schweren Unfällen. Außerdem werden die Risiken beim Transport frischer und bestrahlter MOX-Brennelemente dargelegt.

- Zur Unterstützung der Bürgerinitiativen wird der Senat finanzielle Mittel bereitstellen, die in der Verfügung der Initiativen für Öffentlichkeitsarbeit und wissenschaftliche Beratung der Initiativen vor und während des Eröterungsverfahrens eingesetzt werden können.

- Da der Senat in der Vergangenheit erklärt hat, daß er die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente auch im Ausland ablehnt und die Plutoniumwirtschaft als sicherheitstechnisch und wirtschaftlich nicht vertretbar bezeichnet, wird der Senat auch gegen den zunehmenden Einsatz vom MOX aktiv werden, weil dadurch der Bedarf nach Wiederaufarbeitung und weiterer Plutoniumverarbeitung ausgedehnt wird.

TEXT DER EINWENDUNGEN GEGEN MOX IN KRÜMMEL

Literatur:

Greenpeace, Restrisko 1: Die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf, Drehscheibe für Atomtransporte

Greenpeace, Restrisiko 2: Sicherheitskontrollen in der WAA Wackersdorf, Plutonium-Pfade und Bombenbau

Greenpeace, Restrisiko 3/4: Wiederaufarbeitung ist todsicher...

Greenpeace, Restrisiko 5: Plutonium - reichtum und Tod

Greenpeace, Restrisiko 6: Wackersdorf ist tot - es lebe La Hague?

Greenpeace, Restrisiko 7: Die ungeordnete Beseitigung des Atommülls

(HG) Hamburger Arbeitskreis gegen Atomanlagen: Dirk Seifert, Die große Verlade, Atommüll auf Geisterfahrt

Klaus Traube, Die Plutoniumwirtschaft, 1984

Forschungszentrum Jülich, Aktuelle Themen der Kernenergie, 1990

Öko-Institut Darmstadt: "Vergleich und Bewertung der Sicherheitsanforderungen bei der Wiederaufarbeitung bundesdeutscher Brennelemente in der Bundesrepublik, Frankreich und Großbritannien, 1991 (im Auftrag des Energieministeriums Schleswig Holstein)

Gündling/ Roßnagel: Rechtsproblem einer atomaren Wiederaufarbeitung im Ausland, 1991 (im Auftrag des Energieministeriums Schleswig Holstein)

VDEW, Strategieüberlegungen zur Brennelementeversorgung und Verwertung von Plutonium und wiederaufgearbeitetem Uran - gegenwärtige Situation und langfristige Perspektiven, 1989

(HG) Udo Schelb, Reaktoren und Raketen, 1988

H.J. Dippert, Strategien des Brennstoffkreislaufs, in: Atomwirtschaft Heft 2, 1991, S. 83 ff

AG Atomindustrie: Wer mit wem in Atomstaat und Großindustrie, 1987

(HG) Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg: Wendland Rückspiegel; (Pressespiegel, erscheinungsweise monatlich)

(HG) Initiative Umweltschutz Hanau u.a.: Nuklearzentrum Hanau: Atom Energie Bomben Geschäft, 1984

(HG) Die Grünen im Bundestag/ AG Energie: Das Grüne Energiewende-Szenario 2010, Sonne, Wind und Wasser, 1989

Wohin mit dem Atommüll? Endlager in Europa, Informationen der Regenbogenfraktion im Europäischen Parlament, 1988

Die Grünen im Bundestag: Der sofortige Ausstieg ist möglich, Das Sofort-Programm für den Ausstieg aus der Atomenergie, 1986

Kontakte:

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