akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 443 / 26.10.2000

Auftakt in
Gorleben
und
Philippsburg

Die Anti-AKW-Bewegung hat sich zurückgemeldet. Mit 5.000 TeilnehmerInnen war die Demonstration am 23. September in Gorleben über alle Erwartungen gut besucht und sorgte für gute Laune unter den Anti-AKW-AktivistInnen. Zwar gab es vielfach Kritik an der durchwachsenen Kundgebung, aber Beiträge des Betriebsratsvorsitzenden des VW-Werks Salzgitter, Andreas Blechner, und von Jacob von Uexküll, Stifter des Alternativen Nobelpreises, sowie eine glänzende Satire vom Thomas Ebermann und Rainer Trampert (siehe nebenstehenden Text) fingen dieses Defizit auf.

Für die gute Mobilisierung sorgte sicherlich, dass wenige Tage vor der Demo die Genehmigung für die ersten Atomtransporte nach über zwei Jahren in die Wiederaufarbeitungsanlage nach La Hague erteilt wurden (siehe letzten ak). In drei Genehmigungen, die bis Ende dieses Jahres befristet sind, hatte das unter grüner Leitung stehende Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Castortransporte aus den AKWs Phillipsburg, Biblis und Stade zugelassen. Aus verschiedenen Quellen zeichnete sich ab, dass der erste Transport aus dem baden-württembergischen AKW Phillipsburg auf die Reise gehen sollte.

Am 15. Oktober demonstrierten auf einem Sonntagsspaziergang über 1.000 Menschen gegen den für den 18. Oktober angesetzten Atomtransport. An den folgenden Tagen kam es zu zahlreichen Aktionen und Blockadeaktionen der Castor-GegnerInnen, die sich in einem Camp in der Nähe des Atommeilers einquartiert hatten. Die Polizei versuchte über die ganzen Tage mit massiver Präsens der Lage Herr zu werden, nahm weit über 100 Leute vorübergehend in Gewahrsam und beschlagnahmte sogar die Volksküchen von Rampenplan und der Freiburger Kochgruppe, die die DemonstrantInnen im Camp mit warmen Mahlzeiten versorgt hatte. Immerhin einige Hundert Leute nahmen an den Aktivitäten mitten in der Woche teil.

Behindert wurde die Mobilisierung stark durch die Unklarheiten, ob es tatsächlich zu dem Transport kommen würde. Einerseits hatte das BfS die Genehmigungen nicht mit einem Sofortvollzug ausgestattet. Da Greenpeace unmittelbar nach der Erteilung der Genehmigungen Widerspruch dagegen einlegte, wurden diese zunächst außer Kraft gesetzt. Als Reaktion darauf haben die AKW-Betreiber aus Phillipsburg, Biblis und Stade den Sofortvollzug beantragt, über den das BfS nun entscheiden muss. Früher war dies eine reine Formsache und konnte innerhalb weniger Tage erledigt werden. Deshalb konnten die AtomgegnerInnen also bis zum vorgesehenen Transporttag nicht sicher sein, ob das BfS nicht doch noch grünes Licht geben würde.

Für weitere Unklarheiten sorgte die Frage, ob Frankreich überhaupt bereit sei, deutschen Atommüll anzunehmen, bevor nicht umgekehrt der in Frankreich aus deutschen Brennstäben entstandene Atommüll nach Gorleben transportiert würde. Denn in La Hague stehen sechs Atommüllbehälter schon seit Monaten zur Abfahrt bereit. Doch bis heute kam es dazu nicht. Einerseits hatte das BfS eine Transportroute nach Gorleben über das ostdeutsche Arendsee mit der Begründung abgelehnt, dass der hierbei erforderliche lange Anfahrtsweg durch große Waldgebiete angesichts angekündigter Blockadeaktionen nicht zu genehmigen war. Andererseits ist die Seerauer Brücke in der Nähe von Hitzacker auf der Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg baufällig und muss saniert werden. Damit wurde erst in den letzten Wochen begonnen, so dass die traditionelle Strecke für Castortransporte nach Gorleben derzeit nicht zur Verfügung steht.

Man kann darüber streiten, ob diese Probleme ganz zufällig gerade jetzt einem Rücktransport von Atommüll aus Frankreich im Wege stehen.

Bis kurz vor dem 18. Oktober war jedoch nicht eindeutig zu klären, ob die französische Regierung tatsächlich auf eine Regelung in Sachen Rücktransporte nach Gorleben bestehen würde, bevor der Atommüll aus den AKWs wieder nach La Hague rollen könnte - oder ob es sich um ein inszeniertes Verwirrspiel handelte. Und schließlich sorgten Aussagen von Bundesumweltminister Trittin für weitere Irritationen. Er hatte sich dahingehend geäußert, dass es erst im nächsten Frühjahr zu ersten Atomtransporten kommen würde. Viele Castor-GegnerInnen hatten das mediale Hin und Her in dieser Frage zu Hause abgewartet, bis schließlich die Initiativen vor Ort eine vorläufige Entwarnung aussprachen.

Die AktivistInnen bewerteten die bisherigen Aktionen als durchaus erfolgreich. Gleichzeitig kündigten sie an, wieder vor Ort zu sein, wenn sich der Abtransport konkret abzeichnen würde. Wann das sein wird, ist derzeit weiter offen. Das BfS hat über den Sofortvollzug bis Redaktionsschluss (20.10.) noch nicht entschieden und aus Frankreich ist zu vernehmen, dass man dort erst wieder Castortransporte aus Deutschland ins Land lassen will, wenn der Müll aus La Hague abgefahren ist. Trifft das zu, dann dürfte Trittin Recht behalten, denn nach Gorleben führt der Weg nur über die Seerauer Brücke. Und die dürfte erst im nächsten Frühjahr wieder castortauglich sein. Es gilt die Augen offen zu halten und die Zeit für die weitere Mobilisierung zu nutzen.

DSe


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