akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 441 / 31.08.2000

Alles Lüge

Demo gegen den rot-grünen Atomkonsens

Noch ist offen, wie die rot-grüne Bundesregierung den mit der Atomwirtschaft verhandelten Konsens per Novelle im Atomgesetz umsetzen wird. Für die Anti-AKW-Bewegung ist jedoch klar, dass sie in den kommenden Monaten jede Menge Arbeit haben wird. Der Auftakt findet am 23. September statt. Dann soll es in Gorleben zu einer bundesweiten Demonstration kommen.

Sommerpause? Zumindest für die Anti-AKW-Bewegung dürfte dieses Wort in diesem Jahr aus dem Duden gestrichen sein. Kaum hatte die Bundesregierung mit der Atomwirtschaft den Konsens vereinbart und die Grüne Partei in Münster für den langfristigen Weiterbetrieb der Atommeiler grünes Licht gegeben, da hatte die Anti-AKW-Bewegung schon die Devise ausgegeben: Bundesweite Demonstration am 23. September in Gorleben unter dem Motto Ausstieg? Alles Lüge!

Derzeit wird noch intensiv am Ablauf und Programm der Demo gearbeitet. Fest steht, dass Jacob von Uexbüll, der "Erfinder" des alternativen Nobelpreises, auf der Kundgebung in Gorleben sprechen wird. Noch nicht abschließend geklärt ist die Teilnahme des Schauspielers Rolf Becker, der in diversen Fernsehproduktionen mitgewirkt hat und derzeit in Hamburg bei der Aufführung des "Jedermann" zu sehen ist. Um weitere RednerInnen wird sich noch gekümmert. Doch nach alter wendländischer Sitte wird es nicht nur Reden, sondern auch Kultur geben. Zugesagt haben z. B. Thomas Ebermann und Reiner Trampert. Die tingeln ja seit einigen Monaten mit einer Art politischem Kabarett recht erfolgreich durch die Lande. In Gorleben - so ist zu vernehmen - wird es etwas aus diesem Programm, aber auch einige neue Texte geben. Für das Tanzbein wird die Magdeburger Rock-Band "Aufbruch" aufspielen. Und auch hier gilt: Bis zur Demo wird noch einiges dazu kommen.

Totgesagte
leben länger

Politisch ist die Demo die erste gemeinsame Aktivität der Anti-AKW-Bewegung nach dem Konsens. Und das macht diese Demo auch problematisch, denn bislang kann niemand so richtig einschätzen, wie sich der Atomkonsens und die grüne Beteiligung daran für die Mobilisierungsfähigkeit der Anti-AKW-Bewegung auswirken wird. Würde es sich nicht um eine politische Demonstration, sondern um Aktivitäten gegen einen Castor handeln, wäre es vermutlich noch einfach, die Lage einzuschätzen. Aber politische Manifestationen, die seit Jahren als Latschdemos denunziert werden, entziehen sich heute fast jeder Möglichkeit einer Einschätzung. Zwar haben die einschlägigen Gruppen und Aktiven ebenso wie die Umweltverbände ihre Unterstützung für die Demo zugesagt. Doch es ist inzwischen eine Binsenweisheit, dass zwischen solchen Zusagen und der tatsächlichen Anwesenheit ein ganzes Stück Weg liegt. Unklar ist, welche Stimmung derzeit eigentlich in der Anti-AKW-Bewegung und ihrem Umfeld herrscht. Nimmt man die (Presse-)Veröffentlichungen, dann könnte man ohne weiteres der Auffassung sein, dass ein "jetzt erst recht" vorherrscht und die Beteiligten mit Elan zur Arbeit des Mobilisierens schreiten. Doch das ist so nicht erkennbar, denn der Großteil der notwendigen Vorbereitung für die Demo in Gorleben lastet fast ausschließlich auf den Schultern der Dannenberger. Nicht etwa das die AktivistInnen andernorts faul rumliegen. Widerstand gegen Zwischenlagerhallen, Transportbereitstellungsflächen, Castor-Leertransporte etc. werden emsig bearbeitet (siehe Artikel in dieser Ausgabe). Aber auch daraus lässt sich für die Demo in Gorleben wenig ableiten. Und doch ist das nicht unbedingt ein negatives Zeichen. Nicht erst die letzte Demo im November 1999 in Berlin wurde fast ausschließlich auf dem Rücken der Dannenberger getragen und trotzdem kam da ein ganz gutes Ergebnis raus.

Jenseits stark tönender Erklärungen hört man in den Gesprächen mit AktivstInnen landauf landab aber auch eine gehörige Portion Frust und Ratlosigkeit. Denn den meisten Beteiligten ist durchaus klar, dass die Schlachten gegen die Zwischenlager an den AKW-Standorten kaum zu gewinnen sein werden, dass die Castortransporte in nächster Zeit aussterben und so der Garant für Massenmobilisierungen verschwinden wird. Was dann, wie geht es danach weiter? Was kann man noch tun, nachdem die Grünen diesem Wahnsinn zugestimmt haben? Kein Wunder, wenn die jetzige Mobilisierungsphase nicht eben als schwungvoll bezeichnet werden kann. In dieser politischen und emotionalen Gemengelage steht die Demo in Gorleben. Nicht einmal untereinander werden Zahlen über die zu erwartenden TeilnehmerInnen gehandelt, so stark ist die Verunsicherung.

Den Rücken stärken

Eine breite politische Unterstützung der Linken, ausgedrückt in reger Beteiligung auch derjenigen, die die Atomfrage nicht unbedingt als ihr Hauptthema ansehen und die z.B. in Sachen Antifa derzeit viel beschäftigt sind, würde der Anti-AKW-Bewegung sicherlich Mut machen und ihr für die kommenden Auseinandersetzungen in Sachen Standort-Zwischenlager, in Sachen Castortransporte etc. den Rücken stärken. Eine solche Unterstützung wäre aber auch für die Grünen ein deutliches Warnzeichen, dass die kommenden Castortransporte für sie eine echt unangenehme Geschichte werden. Immerhin leidet die Partei schon jetzt unter schwindenden WählerInnen und eine starke Demo in Gorleben könnte die Stimmung gegen die Grünen Konsensmacher sicher weiter verschlechtern. Die Anti-AKW-Gruppen wären gut beraten, sich in ihren Städten nach der Sommerpause aktiv um die Unterstützung aus anderen politischen Bereichen der Linken zu bemühen, aber auch in Richtung Grüner Basis und WählerInnen dafür zu werben, nach Gorleben zu fahren.

DSe

Die Demo wird - wie alle politische Arbeit - Geld kosten. Und es wird niemanden überraschen, dass mit der politischen Entwicklung der Grünen auch die Geldtöpfe für den Anti-AKW-Widerstand entrücken. Deshalb ist die BI Lüchow-Dannenberg dringend auf Spenden angewiesen: Konto: 2060721 bei der KSK Lüchow BLZ: 25851335, Stichwort: Alles Lüge. Plakate und Flugblätter gibt es im BI-Büro unter 05841-4684 oder per Fax unter 05841-3197.


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