akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 440 / 06.07.2000

"Das kann man jetzt Wahlbetrug nennen"

Interview mit Francis Althoff (BI Lüchow Dannenberg)

Was bedeutet die Atomkonsensvereinbarung für die weitere Arbeit der BI und für den Standort Gorleben?

Ich kann das mal überraschenderweise aus positiver Sicht darstellen. Und zwar nehme ich einfach zur Kenntnis, es gibt eine Regierung, die sagt, zumindest öffentlich, Atomkraft sei gefährlich. Das kann uns für die Öffentlichkeitsarbeit nur nutzen und wir hoffen, dass dadurch Leute noch eher kapieren, dass man sofort aussteigen muss. Aber mit Konsens hat die ganze Veranstaltung nichts zu tun, weil es nicht gesamtgesellschaftlich ist. Die Anti-Atom-Bewegung wurde ja nicht einbezogen. Zweitens ist das natürlich kein Ausstieg, sondern der gesicherte Weiterbetrieb der Atomanlagen, Es werden noch auf Generationen hinaus Menschen und Umwelt verstrahlt. Und drittens: Wenn man die Geschichte der Grünen betrachtet, die ja größtenteils aus der Anti-Atom-Bewegung kommen, ist das so ein radikaler Schnitt, dass man auf jeden Fall sagen kann, das, was hier heute läuft, ist der sofortige Ausstieg aus der Anti-Atom-Bewegung.

Was bedeutet denn diese Entscheidung für die weitere Arbeit der Bürgerinitiative? Entsteht nicht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass diese Vereinbarung das Thema Atomenergie abschließend regelt? Ist damit nicht die Luft aus dem Anti-Atom-Widerstand raus?

Also wir sind ja jetzt nicht überrascht durch diese Vereinbarung. Wir haben von Anfang an vermutet, dass die Grünen das nicht so auf die Reihe kriegen, wie sie es vor der Wahl behauptet haben. Das kann man jetzt Wahlbetrug nennen. Wir sind natürlich vorbereitet und rufen z.B. für den 23. September zu einer bundesweiten Sofortausstiegs-Großdemonstration auf, wo sämtliche Standorte in der BRD vertreten sein sollen. Dass auch klar rüberkommt, hier geht es nicht nur um Gorleben, sondern es geht um alles. Wir haben weitere Termine: Die Konditionierungsanlage wird demnächst in Betrieb gehen. Auch darauf sind wir vorbereitet und haben bereits Aktionen geplant.

Das heißt, du gehst davon aus, dass der Widerstand durch die Diskussion um den Atomkonsens und durch die Bezeichnung dieses Konsenses als Ausstieg nicht beeinträchtigt wird?

Also, wenn ich das auch noch mal positiv versuche zu betrachten, was ja schwer fällt, dann kann es sein, dass die Anti-Atom-Bewegung im Endeffekt sogar klarer rüberkommt, weil es eine deutlichere Abgrenzung z.B. zu den Grünen gibt. Und da kann ich mir vorstellen, dass die Anti-Atom-Bewegung insgesamt in der Öffentlichkeit noch klarer rüberkommt, weil sie jetzt den eigentlichen Anti-Atom-Part von der Straße vertreten muss und nicht mehr im Parlament.

Was bedeutet der Konsensbeschluss konkret für Gorleben? Ist das geplante Moratorium für den Endlagerstandort Gorleben nicht zumindest ein kleiner Erfolg aus eurer Sicht?

Es ist kein Erfolg. Erstens läuft der Rahmenbetriebsplan locker weiter. Den hätte man als erstes beschneiden müssen. Das Moratorium, das angeblich mindestens drei Jahre laufen soll, ist nichts anderes als ein verschämtes Feigenblatt, um uns zu beruhigen. Aber auch das hat ja nichts zu tun mit einer Alternativstandortsuche für ein Endlager und überhaupt mit einem Entsorgungskonzept. Der eigentliche Skandal ist, dass Rot-Grün so weit eingeknickt ist und sagt, Gorleben als Salzstock sei "eignungshöfig". Ein merkwürdiger Begriff. Man hofft, dass er sich eignet. Aber "eignungshöfig" heißt in der Betreibersprache: Der Salzstock ist toll. Aber schon seit über zwanzig Jahren sagen Geologen klar, dass er sich nicht eignet. Das ist der eigentliche Skandal, dass von einem Tag auf den anderen, von Rot-Grün der Salzstock auch noch schöngeredet wird.

Das Interview führte Tobi vom Anti-Atom-Plenum Ruhrgebiet.


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