akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 437 / 13.04.2000

Das reicht noch nicht

Kommentar zur Frühjahrskonferenz

Zumindest im Ansatz haben die in Mülheim versammelten Teile der Anti-AKW-Bewegung erkannt, dass sie unter Rot-Grün vollkommen andere Voraussetzungen für ihren Widerstand hat und heftig daran arbeiten muss, sich darauf einzustellen. Ein Schritt in diese Richtung hat die Konferenz sicher gebracht.

Doch mit Differenzierungen und einem Bemühen, die Realität klar ins Visier zu nehmen, tun sich fast alle Beteiligten schwer. Je stärker sich die AktivistInnen als Anti-KapitalistInnen outen, desto einfacher wird häufig das Weltbild: Liberalisierung muss einfach schlecht sein, weil es dem Kapital nützt, - und was diesem nützt, kann eben nicht gut sein. Unter diesem schlichten Feinbild-Denken kann es denn schon passieren, dass die Realität einfach nicht beachtet wird. Dumm nur, dass der Gegner komplizierter vorgeht (siehe nebenstehenden Artikel).

Verständlich, aber wenig hilfreich ist, dass viele einfach keinen Bock darauf haben, den BürgerInnen immer wieder die Alternativen zum Atomstrom aufzudröseln, zum tausendsten Mal das Risiko schwerer Atomunfälle zu skizzieren und so weiter. Schlichte Info- und Aufklärungsarbeit ist eben nicht unbedingt Sache von eher autonomen oder linken Gruppen. Zwar bemerken viele Gruppen, dass das politische Umfeld nicht eben größer wird, und erkennen an, dass es bei der Mobilisierung in nächster Zeit zumindest nicht einfacher werden wird. Nur für das eigene Agieren werden daraus kaum Konsequenzen gezogen. So verkündet die Konferenz trotz einiger Bedenken, dass die diskutierte Atomstrom-Boykott-Kampagne geeignet ist, neue Konfliktfelder zu erschließen, eine atomkritische Diskussion vor Ort auszulösen und vor allem auch von der Fixierung auf die Castor-Transporte unabhängiger zu werden: Doch hinter vorgehaltener Hand wird die Kampagne dann für die Umweltverbände und engagierte BürgerInnen als Betätigungsfeld empfohlen, aus dem man sich besser raushält. Das aber dürfte nicht ausreichen!

Ärgerlich ist auch, dass neben ökonomischen Banalitäten der vorherrschende Anti-Kapitalismus häufig als Anti-Parlamentarismus daherkommt. Eine Kostprobe aus einem Impuls-Referat? "Gegen Entscheidungen zu protestieren ist unser Recht, weil uns so wenig recht ist. Wir korrigieren und beeinflussen. Aber wenn wir den Parlamentarismus einschränken, schwächen wir Herrschaft, dann machen wir Widerstand. Wir entscheiden und lenken selbst basisdemokratisch. ..." Gott sei Dank ist eine solche Position politisch in diesem Land vollkommen bedeutungslos. Nimmt man sie ernst, dann wäre sie brandgefährlich.

Zu hoffen ist, dass zumindest Teile der Bewegung aus den unterschiedlichen politischen Strömungen die mit Mülheim aufgenommene Debatte über die neue Lage unter Rot-Grün ebenso wie über mögliche praktische Aktivitäten miteinander fortsetzt.

DSe


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