akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 432 / 18.11.1999

Kommentar zur Anti-Atom-Herbstkonferenz

Jämmerlich

Die rot-grüne Bundesregierung und die Anti-Atomkraft-Bewegung haben etwas gemeinsam: Ihr öffentliches Erscheinungsbild ist jämmerlich. Lethargisch und frustriert - so wirkten viele Kernkraftgegner, die sich für drei Tage in Dannenberg zur Herbstkonferenz getroffen haben. So wollten sie sich freilich nicht präsentieren und starteten den kläglichen Versuch, eine abschließende Presseerklärung herauszugeben, die - im Gegensatz zur Realität - die Stärke und Entschlossenheit der Anti-AKW-Szene demonstrieren sollte. Das dilettantische Unterfangen muss selbst einigen Atomkraftgegnern vorgekommen sein, als seien die eigenen Reihen im Moment nicht einmal in der Lage, einen Kindergeburtstag zu organisieren. Fünf Minuten vor Beginn der Pressekonferenz brach eine Diskussion über Inhalte der Pressemitteilung los: Soll es in dem einen Satz "terroristisch" oder kriminell" heißen? Ist die Formulierung "windelweicher Atomminister" für Trittin korrekt oder nicht? Verstehen wir die anstehende "Stunkparade" in Berlin wirklich als Auftakt einer neuen, breiten Anti-AKW-Bewegung? Fast zwei Stunden diskutierten die rund 100 Teilnehmer über Punkt und Komma und darüber, wie man der Presse am besten ein "Propagandapapier" in die Hände drückt, auch wenn der Inhalt nicht viel mit dem Ablauf der Herbstkonferenz zu tun hat. Hätten die Anwesenden doch auf den einzig vernünftigen Vorschlag der Runde gehört: Am besten gar keine Erklärung abgeben, wenn zu große Uneinigkeit besteht. Oder wenn überhaupt eine, dann doch wenigstens eine ehrliche Mitteilung. Das hätte gezeigt, dass die Szene ihre Schwäche erkannt hat. Stattdessen versucht sie zu kaschieren, wo kaum noch etwas zu kaschieren ist: Das Entsetzen und die Enttäuschung über die rot-grüne Politik hat die Szene gelähmt. Dabei wäre gerade jetzt eine starke Anti-AKW-Bewegung für den geforderten Ausstieg wichtiger als je zuvor. SPD und Grüne zementieren die Macht der Atomwirtschaft auf fatale Weise. Und mit ihrem jetzigen Erscheinungsbild helfen die Kernkraftgegner kräftig mit - noch eine Gemeinsamkeit.

Michael Zuchold


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