akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 432 / 18.11.1999

Bauern machen Power

Anti-AKW-Bewegung destrierte in Berlin

Man muss eine Demo nur zu nehmen wissen und sich an den richtigen Stellen einmischen. Dann tuts nicht so weh. Nach diesem Motto begingen die Grünen die Demonstration von rund 5.000 AtomkraftgegnerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet. Zahlreiche grüne Fahnen wehten im Demonstrationszug, ohne dass dies zu Konflikten mit den DemonstrationsteilnehmerInnen führte. Viele Initiativen-Vertreterinnen fanden dies zwar dreist und unverfroren, aber erkennbaren Streit gab es nicht. Die Hamburger GAL hatte zu der Demonstration sogar mit dem Tenor aufgerufen, die rot-grüne Bundesregierung durch die Teilnahme bei ihren Bemühungen zum Ausstieg zu unterstützen.

Die BI Lüchow Dannenberg war mit der Demo zufrieden. Sie geht von insgesamt 8.000 TeilnehmerInnen aus, darunter fast 1.000 aus dem Wendland, die entweder mit dem Trecker oder mit dem Sonderzug angereist waren.

In nur sechs Wochen Mobilisierungszeit hatten die Bäuerliche Notgemeinschaft und die BI Lüchow Dannenberg zur Stunkparade nach Berlin aufgerufen. Angesicht dieser recht kurzen Zeit kann die Demo als durchaus erfolgreich angesehen werden. Eine Machtdemonstration der Anti-AKW-Bewegung war die Veranstaltung jedoch keinesfalls. Da ein Vertreter der BI Lüchow-Dannenberg wenige Tage vor der Demo von 10.000 TeilnehmerInnen gesprochen hatte, ließe sich das Ganze allerdings auch als mäßig einordnen.

Über 100 Trecker samt BäuerInnen hatten sich bereits am Freitag auf den Weg nach Berlin gemacht und waren Samstag mit großem Getöse und Applaus durch das Brandenburger Tor Richtung Alexanderplatz getuckert. Zuvor hatte die Berliner Polizei die Trecker und Anhänger durchsucht und unter anderem Säcke mit Bio-Kartoffeln beschlagnahmt. Die Polizei erkannte in der Bio-Ware eine Waffe, mit der während der Stunkparade ihre Leute hätten beworfen werden können. Auf dem Weg zum Brandenburger Tor mussten sich die AtomkraftgegnerInnen - wie in Berlin üblich - Rucksäcke und Taschen durchsuchen lassen.

Trotz frostigem Wetter in der Hauptstadt war die Stimmung ausgesprochen gut. Zahlreiche Samba-Gruppen, viele Transparente und Fahnen und die geschmückten Trecker und Hänger sorgten für Musik und gute Laune.

Politisch machten die VeranstalterInnen klar, dass sie den Widerstand gegen die Atomenergie auch international betreiben. Dazu hatten sie Vertreter des Widerstandes gegen die Wiederaufarbeitungsanlagen in Frankreich und England eingeladen. André Paris aus La Hague und Goff Brown aus Sellafield machten auf der Kundgebung klar, dass sich die AtomkraftgegnerInnen in England, Frankreich und Deutschland nicht spalten lassen.

Wenngleich die Demo nicht unbedingt den Hoffnungen auf eine große Teilnahme entsprach: Für die Atomwirtschaft müsste klar geworden sein, dass die im kommenden Frühjahr anstehende Wiederaufnahme der Atomtransporte zu einem überaus heiklen politischen Akt werden dürfte. Denn in der Vergangenheit hat sich mehrfach gezeigt, dass sich an den praktischen Aktionen erheblich mehr Menschen beteiligen als an den politisch geprägten Veranstaltungen.

Wie grün
ist die BI?

Während der relativ kurzen Mobilisierungszeit hat es Ereignisse gegeben, die die Frage nach der Rolle der Grünen im wendländischen Widerstand verstärkt aufwirft. So ist der Aufruf der BI Lüchow-Dannenberg einigermaßen kurios entstanden und auf Druck einiger Grüner aus der Region noch vor der Veröffentlichung abgewandelt worden. Sowohl Undine von Plottnitz, langjährige Europaabgeordnete der Grünen und seit Jahren im wendländischen Widerstand aktiv als auch die grüne Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag und ehemalige BI-Vorsitzende Rebecca Harms hatten den Entwurf heftig kritisiert, da er die Grünen vorführe. Die BI Lüchow-Dannenberg folgte diesem Druck und änderte ohne jede Rücksprache mit anderen Beteiligten die Fassung. Hinzu kam, dass unter den ErstunterzeichnerInnen des Aufrufes der "REGENBOGEN - für eine neue Linke" aus Hamburg stand. Diese Organisation, die sich inzwischen als Verein betätigt und außerdem über eine fünfköpfige Bürgerschaftsgruppe verfügt, hatte sich von den Grünen in Hamburg getrennt, nachdem diese dem Kriegseinsatz gegen Jugoslawien zugestimmt hatten. Dem Vernehmen nach, gilt REGENBOGEN bei den niedersächsischen Grünen offenbar als eine hamburgische PDS-Variante. Deshalb wurde der Verein kurzerhand als Erstunterzeichner gestrichen, obwohl wesentlich an der Erstellung des Aufrufflugblattes beteiligt. Das Flugblatt erschien dann zunächst ausschließlich mit der BI Lüchow Dannenberg als Erstunterzeichner. Weitere UnterstützerInnen wurden aufgefordert, sich bei der BI zu melden. Allerdings wurde ausdrücklich betont, dass Parteien nicht unterzeichnen dürften. Mit dieser Variante sollte versucht werden, eine Unterschrift von REGENBOGEN zu verhindern. Dumm nur, dass ein Verein keine Partei ist. Deshalb musste schließlich die BI akzeptieren, dass die Gruppe als Unterzeichner in der zweiten Auflage drunter stand. Weniger Glück hatte die PDS bzw. einzelne Parteiorganisationen. Deren Unterschrift wurde schlicht abgelehnt.
Nun ist es nicht neu, dass die Anti-AKW-Bewegung wie auch andere soziale Bewegungen Parteien den Zutritt zu ihren Bündnissen verwehren. Pikant ist dies jedoch dann, wenn dahinter vor allem Grüne stecken, die ihre Konkurrenten damit außen vor halten. Die unter BIlerInnen weit verbreitete Sorge, die Anti-AKW-Bewegung könne vor den Karren einzelner Parteien gespannt und funktionalisiert werden, ist zwar ohne weiteres nicht von der Hand zu weisen. Aber diese Vorgänge machen deutlich, dass es sich die Anti-AKW-Bewegung mit der bloßen Formel "Keine Parteien" viel zu einfach macht und in der konkreten Lage heute den Grünen hilft.

Das wird auch deutlich, wenn der stellvertretende Landrat Kurt Herzog, Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen, auf der Kundgebung als Redner auftritt. Damit das nicht in den falschen Hals kommt: Es ist vollkommen in Ordnung, dass ein Landrat, sein Stellvertreter o.ä. auf einer Kundgebung sprechen kann. Wenn aber innerhalb der BI die grünen Mitglieder die Marschroute ausgeben, dass Parteien nicht unterzeichnen dürfen und sie gleichzeitig ihre Leute als AmtsträgerInnen etc. auf die Bühnen holen, dann sollte sich die Anti-AKW-Bewegung mal ganz intensiv darüber Gedanken machen, ob das in ihrem Sinne ist.

DSe

Goldene Hakenkralle

Mit dem Wanderdenkmal einer "Goldenen Hakenkralle" gehen AtomkraftgegnerInnen gegen die Kriminalisierung des Castor-Widerstandes an. Erfolgreich setzten sie jüngst in Bremen die öffentliche Enthüllung durch, nachdem dies zunächst von den Behörden verboten worden war. Anlass der Aktion sind die im Sommer vom BKA durchgeführten Hausdurchsuchungen bei AKW-GegnerInnen, die eben unter dem Codewort "Goldene Hakenkralle" liefen. Das BKA ermittelt gegen mindestens 10 Leute nach § 129a StGB und § 315 StGB (gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr). Die Kralle soll noch in weiteren Städten, u.a. Ende Januar in Hamburg, enthüllt werden.


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